Zoff, Zwist und Zerwürfnis

Die Wiederaufnahme der Berliner rot-roten Koalition im Herbst ist ungewiss

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Gilt nicht nur für den Umgang mit Sozialwohnungen.
Gilt nicht nur für den Umgang mit Sozialwohnungen.

Rot-Rot hat sich nicht vom Roten Rathaus oder gar formal parlamentarisch verabschiedet. Es ging nur in den Wahlkampf. Dort pflegen die langjährigen Partner und Pioniere eines neuartigen Berliner Bündnisses demonstrative Gegnerschaft. Das ist etwas ungewohnt nach Jahren der öffentlich gezeigten Harmonie. Auf Hieb folgt Gegenhieb, auf Klotz kracht Keil. Genossinnen und Genossen, die zehn Jahre lang gemeinsam regieren, müssen noch lange keine Freundinnen und Freunde sein. Inzwischen fragt man sich alle Tage wieder, wo es wohl heute und als nächstes Zoff, Zwist und Zerwürfnis für die Schlagzeilen geben mag.

In der Linkspartei wird geredet, gemutmaßt, gemunkelt. »Der Riss geht tief«, sagt ein Abgeordneter, Gräben hätten sich aufgetan. Es handle sich ohnehin um ein ungeliebtes Bündnis. »Viele würden uns gern loswerden«, vermuten andere. Sie argwöhnen, die Auseinandersetzungen seien schon der Lohn neuer Aufmüpfigkeit. Aber auch Regieren habe seine Tücken. »Es lädiert die Glaubwürdigkeit.«

Das glaubt mancher in der Linkspartei erfahren zu haben. Eine Auszeit wäre zur Erneuerung in der Opposition »vielleicht nicht schlecht«. Das ist nur laut gedacht, denn »das sagt niemand laut«. Wenn doch, dann vornehmlich Vertreter aus Westbezirken der Stadt. Die bildeten eine Initiative und würden freiwillig gern für die Oppositionsbank kandidieren.

Es gilt trotzdem das Wort des Landesvorsitzenden Klaus Lederer, dass die LINKE antritt, um wieder mitzuregieren. Bislang reicht es für eine Wiederaufnahme von Rot-Rot Mangels Prozenten aber bei weitem nicht.

Dabei bewirbt sich die Partei als das Original. Reindustriealisierung als Strategie, Wohnen und Mieten, Rekommunalisierung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge reklamiert sie als ihre Themen. Das Pochen auf solche Urheberrechte erfreut nicht immer alle gleichermaßen.

So kommt die LINKE in den Erfolgsbilanzen der SPD auch so gut wie nicht mehr vor – höchstens in dem Begriff »Koalition«. Sozialdemokraten geben sich auf den Fluren schon mal etwas verwundert über angeblich allzu heftige Reaktionen ihrer sozialistischen Partner. Die seien wohl etwas empfindlich. Sie brächten ja den Partner ebenfalls in Bedrängnis. So beim Wahlalter 16 oder mit dem angekündigten Ausstieg aus dem Straßenausbaubeitragsgesetz.

Empfindlich oder nicht, Arbeits- und Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE) dürfte sich einem Candle Light Dinner mit dem für die SPD wirkenden Finanzsenator Ulrich Nußbaum verweigern. Dabei ist dessen Benehmen weit mehr als nur »Benimmse«, wie das der Berliner nennt und kennt. Doch die mühselig beigelegte Krise um den Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) hatte bei ihm ihren Ursprung. Die Blockade von Mitteln für das Vorzeigeprojekt der LINKEN, wie Langzeitarbeitslose wieder in angemessen bezahlte Beschäftigung zu bringen sind, wurde als finanztechnische Trickserei und Sabotage unter dem Motto »Ärger machen« empfunden.

Andere Streitthemen haben auch Gewicht. Beim neuen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) will die LINKE jetzt das Nachtflugverbot zwischen 23 und 6 Uhr, die SPD nur 0 bis 5 Uhr. Die LINKE beweise da »wirtschaftliche Inkompetenz«, polterte Wowereit im Boulevard. Er hat die Partner längst auf Distanz gebracht mit gezielten und schmerzlichen Attacken. »Reizen mit Methode«, nennen so etwas LINKE-Genossen, und sie sprechen vom »Fuchs Wowereit« im Wahlkampf.

Von der Autobahn A 100 ist die LINKE wohl endgültig abgebogen. Erst ließ sie sich den Bau widerwillig in den Koalitionsvertrag schreiben, dann machte die SPD einen Rückzieher. Die Linkspartei wollte auch nicht mehr, dann stimmte die SPD dem Vorhaben wieder zu. Nun lehnt die LINKE ab.

Bleiben will Wowereit – das natürlich nur als Chef. Je nach Prozenten bleibt alles Option, was die dritte Amtszeit sichert. Das heißt SPD stärkste Partei und dazu ein Partner. Anderes ist ungewiss. Obwohl über die gegenwärtige kaum im Guten und über eine künftige Koalition schon gar nicht gesprochen wird, zeigt sich doch ein Trend. Es ginge Rot-Rot. Rot-Grün ist schwieriger und Rot-Rot-Grün schon gar. Rot-Schwarz wäre ebenfalls denkbar, aber darüber spricht überhaupt niemand. »Es wäre derzeit nicht zu vermitteln.«

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