Zickenkrieg in der Millionärsvilla

»Das Hausmädchen« von Im Sang-soo

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 4 Min.

Die ersten Einstellungen spielen in einem belebten Viertel mitten in der Stadt. Ein paar junge Mädchen tanzen in einem Vergnügungslokal, eine Frau trägt Werbezettel aus, die bald den ganzen Bürgersteig bedecken, eine andere knetet Teig in einer Garküche, man schneidet Fisch, man kocht, man isst, man lebt. Wagen fahren vorbei, ein Mofa knattert, und eine junge Frau stürzt sich vom Balkon des Tanzlokals in den Tod. Ihr kreidegezeichneter Umriss auf dem Bürgersteig ist beinahe das letzte, was man von diesem Viertel voller Leben sieht – ein Bild gewaltsamen Todes. Dann wird eine junge Frau ins Restaurant gegenüber gerufen, wo eine andere sie als Hausmädchen engagiert, und zieht zu der Familie, in deren Haus sie die kommenden Jahre arbeiten soll.

»Das Hausmädchen« ist ein Thriller, und beizeiten auch ganz schön erotisch. Der junge Hausherr zum Beispiel hat neben seiner tagesfüllenden Tätigkeit als hauptberuflicher Geldvermehrer auch noch die Zeit gefunden, konzertreif Klassisches auf dem Klavier spielen zu lernen und außerdem seinen schlanken Körper in makellos-muskulöse Bestform zu bringen. Das hübsche neue Hausmädchen hat alles, nur ganz sicher keine Spülhände. Die gertenschlanke Gattin des reichen Mannes ist trotz ihres grotesk vorstehenden doppelten Schwangerschaftsbauches keinen Moment weniger (oder mehr) als eine blutjunge, bildschöne, dekorativ gelangweilte Vorzeigeehefrau. Und selbst seine Schwiegermutter frühen mittleren Alters ist gut genug erhalten, um ihm gelegentlich selbst schöne Augen zu machen.

Die frühreife kleine Tochter, große Schwester der kommenden Zwillinge, besitzt einen ganzen Schrank voller Teddy-Bären, erfährt aber wenig Zuwendung von ihren Eltern. Mit der älteren Hausdame, die sie einstellen kam, teilt das junge Hausmädchen ein Bad, und das recht ungeniert. Die Hausdame ist die graue Eminenz im Haus, eine, die alles sieht, alles hört, viel zu viel weitererzählt. Dass der Hausherr das neue Hausmädchen verführt – seine Frau ist ja so heftig schwanger und steht für Ganzkörpersex nicht mehr wirklich zur Verfügung –, ist von Anfang an kaum mehr als zu erwarten. Er ist jung, reich, mächtig, seine Angestellten verneigen sich vor ihm nach höflicher asiatischer Manier, und Frauen waren offenbar sein ganzes Leben lang uneingeschränkt immer nur für ihn da.

Ob er das Hausmädchen verführt oder das Hausmädchen ihn, bleibt in der Schwebe, aber als es schwanger wird, greift die Mutter der reichen Gattin schon mal zu drastischen Mitteln, um das Kind loszuwerden, das ihrer wohlverheirateten (und bald auch ziemlich eifersüchtigen) Tochter potenziell in die Quere kommen könnte. Man verursacht Unfälle, schwingt nächstens Golfschläger über schlafenden Köpfen, man versucht es mit Geld, man übersieht dabei völlig, dass die Haushälterin sehr stolz ist auf ihren Sohn, der gerade Staatsanwalt wurde. Und sich zusehends von der Familie missachtet fühlt, der sie dient. Nach dem Willen des Hausmädchens fragt weiter niemand.

Regisseur Im Sang-soo drehte mit »Das Hausmädchen« das Remake des gleichnamigen südkoreanischen Klassikers von Kim Ki-young aus den Sechzigern. Damit die hierarchischen Verhältnisse glaubhaft bleiben, verlegte Im den Status der Familie in die Sphäre der Superreichen. Schöne Menschen (das Hausmädchen durchaus inbegriffen) in schönen Räumen (selbst das Quartier von Hausmädchen und Hausdame nicht ausgenommen), die weniger schöne Dinge tun – das entwickelt einen gewissen Sog, aber nicht wirklich dramatische Spannung. Und die deutsche Synchronfassung schafft es vollends, aus einem Film, der zumindest ansatzweise auch Milieustudie sein könnte, ein bloßes Bilderbuch zu machen, unter dessen Oberfläche man nicht blickt.

Bis ganz zum Schluss. Der erst wartet mit einem Grad an monströsem Melodrama auf. Damit hatte man kaum mehr gerechnet. Und schließlich auch die reiche Familie der Realität des ungeschönten Tageslichts aussetzt. Eine surreale letzte Szene, die jeden geborgten Glanz spiegelnder Oberflächen und polierter Texturen vermissen lässt. Da sitzen sie dann plötzlich ganz nackt und exponiert außerhalb der abgeschotteten Welt ihrer alltagsenthobenen Lebensweise. Und das kleine Mädchen blickt in die Kamera, als habe es die Last der ganzen Welt zu schultern.

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