Alte Kirche dient als Spielplatz

Weil die Zahl der Gläubigen sinkt, ziehen oftmals neue Nutzer in Gotteshäuser

  • Burkhard Fraune, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Dieses Angebot klingt zumindest interessant: ein Mehrgeschosser samt Parkplätzen in guter Kreuzberger Wohn- und Geschäftslage, nah an Museen und Galerien, für zwei Millionen Euro. Und dann ist da noch der imposante Turm, und darauf ein Kreuz – es ist die Kirche der katholischen Bonifatiusgemeinde, die im Internet zum Verkauf steht.

Sie ist nicht das erste Berliner Gotteshaus, in dem keine Messen mehr gelesen werden. Seit 2003 wurden neun katholische Kirchen aufgegeben, und auch die evangelische Kirche sucht zunehmend neue Nutzer für die großen Sakralbauten. Es gibt neuen Raum für Tagungen, Konzerte, Theater. Zum Beispiel im Umweltforum in Friedrichshain: Hinter dem mächtigen Turm und spätromanischen Außenmauern ragt ein Konferenzzentrum aus Stahl und Glas empor. Wo sich in den 1980er Jahren im notdürftig wiederaufgebauten Kirchenschiff die DDR-Opposition um Rainer Eppelmann und Bärbel Bohley traf, tagen heute Ministerien, Verbände und Unternehmen von Coca-Cola bis Sony.

»Wir unterscheiden uns nicht von anderen Veranstaltungszentren«, sagt Sprecherin Anke Stopperich. Bis auf ein Detail: Im großen Saal hängt noch ein Kreuz. Nur noch an kirchlichen Feiertagen gibt es hier Gottesdienste.

Tagungen gibt es auch in der Kreuzberger Jerusalemkirche, einem Flachbau aus den 1960er Jahren. Wer Wert auf neugotisches Ambiente legt, kann auch die Heilig-Kreuz-Kirche buchen. Dort gibt es Modenschauen und Kunstauktionen.

Kirchen, die eigentlich keine mehr sind, gibt es in Berlin schon lange, etwa die Nicolaikirche, die nach dem Wiederaufbau Museum wurde – wie auch die Friedrichswerdersche Kirche unweit der Museumsinsel. Doch seit die Gläubigen immer weniger werden, haben die Kirchen immer größere Probleme, ihre Gotteshäuser zu füllen und zu unterhalten. Gehen zwei Gemeinden zusammen, ist oft eine Kirche übrig. »Wir sind bemüht, eine kirchliche Nutzung sicherzustellen«, sagt Volker Jastrzembski, Sprecher der Evangelischen Kirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Weil die Gemeinden ein neues Rechnungswesen einführen, rechnet Jastrzembski damit, dass viele künftig kreativer sein müssen, um ihre Kirchengebäude zu refinanzieren. Die Dahlemer Jesus-Christus-Kirche hat ein Tonstudio eingerichtet, damit Künstler die Akustik für Aufnahmen nutzen können.

So haben Kirchen in Berlin die unterschiedlichsten Nutzer. In der Eliaskirche im Prenzlauer Berg toben Kinder, Teile der Martin-Luther-Kirche in Neukölln wurden zu Wohnungen, ebenso geschah es in der Spandauer Lutherkirche.

Die frühere Krankenhauskapelle an der Neuköllner Blaschkoallee ist zum Trauzimmer des Standesamts geworden. Die Verheißungskirche auf dem Friedhof an der Boxhagener Straße dient seit fünf Jahren als Theaterkapelle. Noch immer gibt es dort Trauerfeiern, aber wenn es auf dem Friedhof dunkel wird, tönt beispielsweise Jazzmusik aus der Kapelle.

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