Werbung

Christlichen Garten umtaufen?

Warum Heinrich Niemann gegen Namen mit religiösem Bezug ist / Dr. Heinrich Niemann ist Gründungsvorsitzender des Vereins »Freunde der Gärten der Welt«

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Christlichen Garten umtaufen?

ND: Am 30. April werden die Berliner »Gärten der Welt« im Bezirk Marzahn-Hellersdorf um einen weiteren Blickfang erweitert – den christlichen Garten. Sie sprechen sich wiederholt gegen diese Bezeichnung aus. Warum wollen Sie den Garten umtaufen?
Niemann: Die ursprüngliche Idee soll wieder Geltung erlangen, die mit der Ausschreibung verfolgt wurde: einen Garten aus dem christlich-abendländischen/europäischen Kulturkreis zu gestalten, für den der mittelalterliche Klostergarten das Vorbild gibt. Da es in der Geschichte der Gartenkunst bisher einen christlichen Garten nicht gegeben hat, ist es schon gerechtfertigt, zu fragen, wieso ausgerechnet die jetzt entstandene Anlage aus dem Verfahren mit einer anderen Vorgabe eine Bezeichnung als christlicher Garten, also quasi als Prototyp eines Gartens einer großen Religion, erhalten soll. Wieso muss am Beginn des 21. Jahrhunderts ausgerechnet in der weltoffenen Stadt Berlin ein solcher Namensakt vollzogen werden?

Neben einem chinesischen, japanischen, koreanischen, balinesischen oder orientalischen Garten nun also eine christliche Grünanlage. Kennen Sie das Konzept?
Schon diese Aufzählung erhellt das Problem. Alle Gärten sind traditionell nach geografischen oder auch anderen Aspekten geordnet und benannt, obwohl die jeweilige Religion stets einen starken Einfluss auf die Gartenkunst ausübte. Einzige Ausnahme: Der islamische Garten. Er wird im Koran genau beschrieben und üblicherweise so bezeichnet. In Berlin allerdings vermied man 2005 die Bezeichnung islamischer Garten – damals aus mit der Religionsfrage verbundenen Gründen – und benannte ihn Orientalischer Garten.

Das Konzept des neuen Gartens ist mir natürlich bekannt. Auf moderne Weise wird ein Grundelement der Klostergärten, der Kreuzgang, in den Mittelpunkt der Gestaltung gesetzt. Interessant ist die Einarbeitung von Aussagen aus der Bibel. Die Buchstaben und Worte bilden gleichsam eine Umwandung des Kreuzganges. Vieles an gartenkünstlerischer Gestaltung wird sich erst später zeigen.

Hat denn der Namensstreit auch praktische Bedeutung oder ist es nur ein akademischer Zwist?
Es ist nicht nur meine Auffassung, dass mit dieser Namensgebung ein bisher mit Bedacht verfolgtes Prinzip verlassen wird – die Gärten der Welt nach den Regeln der Gartenkunst weiter zu entwickeln. Sie sollten nicht als Zielpunkte für religiöse Gruppen oder Zeremonielle wirken oder gar zu einem Ort eines Panoptikums angeblicher oder tatsächlicher Gärten weiterer Glaubensrichtungen werden.

Welcher Name wäre passend?
Jeder Name, der von dieser verallgemeinernden, apodiktischen und ideologisierenden Behauptung wegkommt, also eine Ebene tiefer und bescheidener. Damit würde auch dem Werk der Gartenkünstler Respekt erwiesen. Als Name wäre »Klostergarten« meine Wahl. »Neuer Klostergarten« könnte eine Variante sein. Vielleicht muss man noch intensiver suchen. Aber die Bezeichnung christlicher Garten damit zu rechfertigen, dass vorgeblich keine bessere gefunden wurde oder andere Vorschläge wie abendländischer Garten schon gar nicht taugten, ist kein Argument .

Wer ist für die Bezeichnung verantwortlich?
Der Namensvorschlag wurde in einer AG bei der Grün Berlin GmbH begründet, in der übrigens der Bezirk Marzahn-Hellersdorf nicht vertreten war. Der Aufsichtsrat Grün Berlin und die zuständige Senatorin haben den Vorschlag trotz der Bedenken gebilligt.

Fragen: Andreas Heinz

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.