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Hebbel am Ufer

Im Kampf mit dem Zyklopen

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 2 Min.

Hinreißend Ulrich Leitners Bühnenbild: Wie das Skelett eines in sich schwingenden Sauriers hängen Lichtstäbe über der Szene im HAU 3 und beleuchten jeweils den Standort der zwei Tänzer. Nicht aber um fossile Funde dreht sich »Oh! Deep Sea – Corpus II«, sondern um die Begegnung von Odysseus und seinen Gefährten mit den Zyklopen. Auf der Rückkehr aus dem Krieg um Troja irrten sie zehn Jahre übers Meer und veranlassten Homer zu einem der wichtigsten Epen europäischer Literatur.

Auch die Griechin Kat Válastur fühlt sich von jener Verserzählung angeregt. Als Absolventin des Zentrums Tanz in Berlin geht sie ihr Thema freilich nicht narrativ an. Um die Irrfahrt von Körpern durch Raum und Zeit, so das Programmheft, dreht sich der zweite Teil und beeindruckt durch seinen konsequent radikalen Minimalismus.

Auf hellem Grund stehen in meerblauem Joggingdress Kat Válastur und der Japaner Yohei Yamada mit dem Rücken zum Zuschauer, er im Parallelstand, sie in Schrittstellung, und wippen zu Arik Hayuts leisem, wie vom Wind zerteiltem Grollen mit verschiedener Körperauslenkung. Das Auge des Zyklopen, als das Leitners Leuchtgebilde deutbar ist, hat sie stets im Blick. Größer wird seine Pumpbewegung und lenkt ihn nach links aus, während sie die Arme mit einsetzt und hörbar atmet, bis unerwartet ein Impuls beide vom Platz schleudert, als habe sie eine Welle getroffen.

So wandern beide unabhängig voneinander durch den Raum. Was indes wie bloße Wiederholung ein und derselben diffusen Abfolge wirkt, variiert an den Orten im Raum. Bisweilen mühen sich beide auf gleicher Höhe ab, meist jedoch trennt die »Flut« sie voneinander, was dem Raum unterschiedliche, wellenbedingt zufällige Struktur gibt.

Válastur knickt zunehmend ein, geht zu Boden in der Pose des »Sterbenden Galliers«, jener römischen Kopie eines griechischen Originals. Auch Yamada drückt es nieder, was nicht das Ende aller Bewegung bedeutet. Beide rappeln sich erneut auf, stehen. Die Arme über dem Kopf, mit Blick zum Saal, endet ihre Recherche weit hinten im Augenwinkel des Zyklopen. Als stehendes Bild blitzt mehrmals auf: Mit künstlichen Händen langt Yamada nach der in stummem Schrei sitzenden Válastur. Der Zyklop hat zugegriffen.

Wieder 28.4., 20 Uhr, Teil I: 30.4. + 1.5., HAU 3, Tempelhofer Ufer 10

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