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Lebendige Puppen
Eine Ausstellung in Bautzen zeigt die Geschichte der fünf sächsischen Puppentheater-Ensembles
Der erste Beleg der alten Tradition der Wandermarionettentheaters in Sachsen datiert auf 1561 in Pirna. Knapp vierhundert Jahre später wirkte ein Gastspiel des sowjetischen Puppenspielers Sergej Obraszow als Fanal für die Gründung kommunaler Puppentheater. Es war sozusagen die ideologische Legitimierung durch den großen Bruder für eine Spieltätigkeit, die aus privater Initiative unmittelbar nach Kriegsende wieder eingesetzt hatte.
Probleme mit Münchhausen
Allerdings führte der volkspädagogische Impetus auch zu einer kritischen Beobachtung des zuvor eher subkulturellen Genres. In Dresden gab es 1950 sogar einen Staatsauftrag an den Bärenfelser Puppenspieler Paul Hölzig, der es sich schwer machte mit seiner Stabpuppeninszenierung »Der fröhliche Sünder«. Der 1951 uraufgeführte orientalische Schwank benötigte acht (!) Spieler.
Genrebedingt ist die Gestik der kleinen Schauspieler durch den mechanischen Apparat vorgegeben, die Mimik ein für alle Mal geschnitzt, modelliert und aufgemalt. So beruht viel von dem Zauber der Puppendramen auf der Aura der Ausstattung. Was den Puppen in der Werkstatt angebastelt wurde, nur das vermögen sie wiederzugeben. Und dieser Teil ist es auch, der sich am besten in einer statischen Schau über das Puppentheater vermitteln lässt.
Die opulente morgenländischen Interieurs und Turban-Gestalten von Ulrich Damrau aus dem Jahr 1951 werden mit mehreren Szenenbildern im Zentrum der Bautzener Ausstellung präsentiert. Erst im Folgejahr eröffnete das Staatliche Puppentheater Dresden unter dem Dach der Landesbühnen Sachsen. 1959 brachte das Theater »Münchhausen – Ein Spektakelstück« auf die Bühne, doch die Geschichte vom Baron und seinen Lügen war den Behörden suspekt. Das Theater wurde zum Anhängsel der Kinder- und Jugendbühne degradiert und bespaßte fortan Schulen und Kindergärten. Erst Jahre später errang die Einrichtung ihre Selbstständigkeit wieder. Seit 1997 gehört sie als Sparte zum Theater der Jungen Generationen.
Diese wechselvolle Geschichte ist bezeichnend. Der anarchische Urgrund der freien Bühnen und unkonventioneller Einzelgänger befruchtete auch die Institutionen des Puppenspiels. In Bautzen stand mit Herbert Ritscher ein Leiter am Beginn der Bühne, der aus einer alteingesessenen sächsischen Marionettenspieler-Dynastie kam. In mehreren Szenenaufbauten werden auch die Facetten einer Zwickauer Inszenierung von »Die Weihnachtsgans Auguste« gezeigt.
Die Bautzener Gastgeber füllen mit ihren Proben einen der kleineren Ausstellungsräume. Mit ihren langen Gewändern herab hängen die lebensgroßen Figuren von Marita Bachmeier zu »Die Schöne und das Biest« (1999). Daneben reiht sich ein kleines Fußvolk zu »Die Regentrude« (1957) und »Hans im Glück« (1958) von Heinz Holzapfel aus Zwickau.
Die Puppenabteilung am Theater der Jungen Welt in Leipzig mit drei festen Spielern besteht erst seit 1991. Die anderen Spielstätten in Sachsen haben sich inzwischen auf eine Spielerzahl von fünf bis sechs eingepegelt.
Märchenstücke im Museum
In einem Raum der Ausstellung sind hinter transparenten Schirmen verschiedene Schattenspiel-Inszenierungen ausgebreitet. Skurrile Gestalten, die Herma Petrick aus Draht gebogen hat, und farbig-schimmernde Personen von Gottfried Reinhardt.
Jedes Wochenende werden im Museum vor allem Märchenstücke durch das Bautzener Puppentheater aufgeführt. Die Erwachsenen, an die jene Gründungswelle vor einem halben Jahrhundert eigentlich adressiert war, sind bei diesen Museumsaufführungen nur begleitende Eltern und Großeltern. Immerhin: Die ansteigenden Zuschauerreihen verhindern, dass den kleinen Zuschauern von den Erwachsenen die Sicht genommen wird.
»Lebendige Puppen – Theatergeschichte der fünf sächsischen Puppentheater-Ensembles«, Museum Bautzen, Kornmarkt 1, bis 22. Mai, Di - So 10 - 17 Uhr
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