Ausgelassene Feierei statt Steineschmeißen
Obwohl die Revolutionäre Demonstration aufgelöst wurde, blieb es in Kreuzberg am 1. Mai ziemlich friedlich
Alle, die im Vorfeld wie die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) oder der Boulevard brutale Krawalle an die Wand gemalt hatten, wurden Lügen gestraft. Der 1. Mai in Kreuzberg verlief so friedlich wie lange nicht. Und dies, obwohl die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration linker Gruppen mit nach Veranstalterangaben 13 000 Teilnehmern in Höhe des Rathauses Neukölln bereits nach einer Stunde beendet werden musste.
Kurz zuvor waren aus dem Aufzug mehrere Banken und Geschäfte mit Steinen attackiert worden. Die Polizei, die sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatte, stoppte daraufhin die Demo. »Die Polizei ging massiv mit Schlagstöcken, Tränengas und Faustschlägen gegen die Teilnehmer vor, sodass wir uns nicht mehr in der Lage sahen, die Sicherheit zu gewährleisten«, erklärte Frank Lehnert, Sprecher des linken Bündnisses die Entscheidung. Dennoch sei mit der hohen Teilnehmerzahl ein »wahrnehmbares Zeichen gegen Gentrifzierung, Kapitalismus, Krieg, Sozialabbau und Rassismus« gesetzt worden, so Lehnert.
Im Anschluss an die Demonstrationsauflösung sammelten sich Aufzugs-Teilnehmer, aber auch ziemlich viele betrunkene Schaulustige am Kottbusser Tor. Dort kam es immer wieder zu Böllerwürfen, größere Ausschreitungen blieben jedoch aus. Herumstreifende Polizeigruppen verletzten allerdings viele Anwesende mit Pfefferspray. Unterdessen feierten bis zu 24 000 Menschen in den umliegenden Straßen und Clubs ausgelassen auf dem Myfest.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zog gestern eine »positive Bilanz« der polizeilichen Einsätze. Zwar wäre sein Traum ein 1. Mai, bei dem die Leute feiern und es zu gar keinen Straftaten kommt, berichtete Körting. Aber das sei angesichts des »vorhandenen Gewaltpotenzials unter extremistischen Kräften« eine Illusion.
Auch Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch, der wegen seiner bevorstehenden Pensionierung zum letzten Mal den Einsatz leitete, lobte den diesjährigen 1. Mai als »einen Schritt in die richtige Richtung«. Die Doppelstrategie, zu kommunizieren so lange es geht und bei Gewalt konsequent einzuschreiten, habe sich in den vergangenen neun Jahren bewährt, sagte Glietsch – auch wenn es Rückschläge gab. In diesem Jahr wurden nach Polizeiangaben 103 Personen festgenommen. In 18 Fällen sollte am Montag noch über einen Haftbefehl entschieden werden. Von den eingesetzten 7000 Polizisten am 1. Mai wurden 75 leicht verletzt.
Scharfe Kritik übte derweil Berlins Innensenator an den Grünen. »Einige der Grünen müssen erklären, wie sie zur Gewalt stehen«, sagte Körting. Er monierte insbesondere die Aussage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, der die Steinwürfe auf Volksbanken aus der Revolutionären 1. Mai-Demo heraus als »Schönheitsfehler« bezeichnet hatte, weil es sich um genossenschaftlich organisierte Banken handele. Damit sagt er indirekt, eigentlich sei es in Ordnung, Scheiben einzuschmeißen, meinte Körting.
Christian Ströbele selbst hatte sich noch am Montagmorgen mit ein paar Journalisten und dem Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) auf dem Heinrichplatz getroffen. Auch bei den Kreuzberger Grünen ist man über die ausgebliebenen Ausschreitungen am 1. Mai erfreut. »Zwei Banken und ein BVG-Häuschen, das ist nicht die Randale, die die BZ vorher prophezeit hatte«, sagte Ströbele. Wie die Berliner Linkspartei auch, lobte Ströbele die Zurückhaltung der Polizei. Nur die Feierei auf dem Myfest könnte nach seinem Geschmack im nächsten Jahr ein bisschen politischer werden.
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