»Platzeck duckt sich weg«

Bürgerinitiative fordert Rücktritt und ruft zur Sitzblockade in Schönefeld

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.

Schönefeld steht am Sonnabend die nächste Großdemonstration gegen den Fluglärm bevor. Etwa 10 000 Teilnehmer werden erwartet. Diesmal haben sich die Bürgerinitiativen eine kleine Eskalation einfallen lassen: Es wird eine etwa zehnminütige Sitzblockade der B 96 vor dem Flughafengebäude geben. »Die Polizei ist einverstanden, sie kennt uns als disziplinierte Demonstranten«, sagt Robert Nicolai von der Bürgerinitiative Schallschutz (BISS) Rangsdorf, die diesmal die Demo (ab 15 Uhr) organisiert.

Mit der Verschärfung reagieren die Initiativen auf eine jüngst bekannt gewordene E-Mail, die darauf hindeutet, dass das Potsdamer Infrastrukturministerium bereits 1998 von der Notwendigkeit abknickender Flugrouten gewusst und versucht hat, diese zu verheimlichen. Potsdam weist dies weiterhin zurück und spricht von »Verschwörungstheorien«. Für Nicolai und seine Mitstreiter ist jedoch klar: »Die Landesregierung hat mit manipuliert.« Alle Dokumente würden belegen, dass es heimliche Absprachen zwischen Infrastrukturministerium, Flughafengesellschaft und Deutscher Flugsicherung gegeben habe.

Die BISS fordert deshalb den Rücktritt von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Dieser habe lediglich von »Kommunikationsproblemen« gesprochen, es gehe aber um ein bewusstes Täuschungsmanöver. »Wer nicht Schaden von den Bürgern fernhält, muss politische Verantwortung übernehmen«, so Nicolai. Weil Wowereit in Berlin die Wahl gewinnen will, ducke sich Platzeck weg.

Nicolai macht den Einfluss Berlins dafür verantwortlich, dass die um 15 Grad abknickenden Flugrouten »nun bei uns gelandet sind«. Bei den ursprünglich suggerierten geradeaus verlaufenden Abflugrouten wäre die Gemeinde kaum betroffen gewesen. Durch das Abknicken werde sie komplett zugelärmt und weder bei Starts Richtung Osten oder Westen verschont. »Das Lärmgefängnis ist geschlossen«, schimpft Nicolai. Die Flugzeuge würden in 500 bis 1000 Meter Höhe über Rangsdorf hinwegdröhnen. Eine Lösung, die den Lärmschutzinteressen aller Gemeinden entgegenkommt, weiß aber auch er nicht. »Wir werden aufeinander losgelassen, und den mit dem geringsten Widerstand wird's treffen.«

In ihrem Widerstand erhoffen sich die Rangsdorfer Unterstützung von der EU. Die BISS will zusammen mit Naturschutzverbänden in Brüssel Beschwerde einlegen gegen die Beeinträchtigung des EU-Vogelschutzgebietes Rangsdorfer See. »Dort rasten im Frühjahr und Herbst bis zu 40 000 Gänse, Kraniche und weitere, teils vom Aussterben bedrohte Arten«, so Nicolai. »Dass dieses Gebiet durch die Flugrouten massiv bedroht ist, scheint hier niemanden zu interessierten.« Auch auf die Anfrage, wie hoch das Absturzrisiko durch Vogelschlag sei, habe er noch keine Antwort der Landesregierung.

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