Galerie KOOKart

Verschmelzung

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Männerkörper sich berühren, handelt es sich nicht selten um Kollisionen testosteronbefeuerter organischer Gebilde. Mit diesem Klischee spielt Thomas Lobenwein mit seiner Fotoserie »Ringen« in der Friedrichshainer KOOKart-Galerie geschickt. Bei seinen Besuchen in einem einstmals von Türken gegründeten Ringerverein in Kreuzberg hat der Fotograf und Kameramann diesem Kampfsport allerdings seine Aggressivität entzogen und Momente von Stille und Berührung aus der Dynamik des Geschehens herausgelöst.

Man sieht eine Männerwange sich an den Körper eines anderen schmiegen. Die muskulösen Arme umklammern zwar mit Urgewalt den Leib des Gegners, der am Oberschenkel ruhende Kopf verleiht dem Bild aber den Eindruck überzeitlicher Harmonie. Auch das Spiel der Muskeln auf dem Rücken von Sportlern, die mit Gewichten agieren, erweckt den Eindruck eines fast ewigen Waltens. Die Runden, die einzelne Läufer beim Konditionstraining in der Halle drehen, scheinen ebenfalls nicht zu enden.

Höhepunkt der Serie ist indes ein Verschmelzungsvorgang: Kopf und Oberkörper eines Ringers sind in einer Art Sandwichstellung so von den Gliedmaßen des anderen umschlossen, dass kaum noch auseinanderzuhalten ist, welch Körperteil zu wem gehört. Beide Kämpfer sind eine Symbiose eingegangen. Sie sind ein vielgliedriger Leib geworden. Lobenwein fängt allerdings auch die Momente von Erschöpfung und Schmerz der Einzelnen ein. Ausgestreckt liegt ein Körper auf hölzernen Planken. Man glaubt, das schwere Atmen, das Heben und Senken des Rückens wahrzunehmen. Auf einem anderen Foto belegt der Griff einer mächtigen Hand ins schmerzverzerrte Gesicht des Rivalen, dass die Sportart Ringen wenig Verbote kennt.

Weil die Fotografie diesen Vorgang aber auf seinem Höhepunkt anhält, transferiert sie ihn in die Sphäre der Kunst. Aus ihr wird der unmittelbare Schmerz wie mit einem magischen Spruch verbannt, so dass das Auge fasziniert den Linien und Kurven folgt, die Arme und Finger, Lippen und Ohr zeichnen. Unmittelbar danach jedoch kommen wie bei einer spätantiken Kämpferskulptur Schmerz und Anstrengung mit gesteigerter Wucht zurück. Einzelne von Lobenweins Fotos könnten aufgrund ihrer Ausdruckskraft in den mit Kampfszenen versehenen Fries hellenischer Tempel eingearbeitet sein.

Der Begleittext der Ausstellung weist auf die Nähe und den intensiven Umgang von Männern verschiedener Kulturen hin. Türken und Deutsche, Russen und Tschetschenen, Bulgaren und Rumänen, Aseris und Armenier sind mittlerweile Mitglieder des Kreuzberger Ringerklubs, den der Fotograf besuchte. Den Bildern ist dies nur vermittelt zu entnehmen. Weil die Männer dort vor allem auf ihren Leib reduziert sind, kann man ihren spezifischen kulturellen Hintergrund nur erahnen. Die Begegnung von Kulturen wird zu einer Vermutung. Aber zweifelsohne kommen die Protagonisten sich nahe. Aus der Nähe dürften Respekt und Neugier erwachsen, aus der gemeinsam geteilten Zeit Offenheit zu- und Verständnis für einander entstehen. Insofern bietet die Serie aus 18 Arbeiten einen Einblick in einen ganz besonderen Schmelztiegel dieser Stadt.

Galerie KOOKart, Libauerstr. 2, mi. - fr. 11 - 16 Uhr, bis 18.5.

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