Neuanfang mit altem Personal
Liberale Baden-Württembergs wählen wieder Birgit Homburger
Hermann Kölle kann in der FDP bleiben. Der Vizevorsitzende des Ortsvereins Kirchheim/Teck hatte auf dem Sonderparteitag angedroht, aus der Partei auszutreten, sollte Michael Theurer Landesvorsitzender werden. Der Grund: Der Europaabgeordnete Theurer hatte zwei E-Mails von Kölle spät und ausweichend beantwortet. »Bitte geben Sie ihm keine Stimme«, sagte Kölle und verließ sichtlich erbost das Rednerpult.
Der Ausbruch zeigte, wie sauer viele Liberale auf ihr Führungspersonal sind. Knapp 400 Frauen und Männer aus dem Stammland der FDP waren in das Carl-Benz-Center gekommen. Während draußen Tausende zum Frühlingsfest oder zum VfB-Spiel im benachbarten Stadion pilgerten, saßen die Delegierten im betongrauen Untergeschoss des Centers und redeten sich die Köpfe heiß. Gerade noch 5,3 Prozent der Wähler hatten bei den Liberalen ihr Kreuz gemacht, nun suchte man nach den Gründen.
»Wer danach nur in Japan sucht, sucht auf dem falschen Kontinent«, rief Benjamin Strasser. »Wir haben ein massives Glaubwürdigkeitsproblem«, befand der Jungliberale und machte außerdem eine »Pattex-Mentalität« bei manchen Führungskräften aus. Andere Delegierte erklärten, sie schämten sich für ihre Partei, immer wieder wurde mehr Beteiligung der Basis gefordert und ein schärferes Profil. Oliver Hirt, ein Gemeinderat aus Spaichingen, befand, dass »zu Recht gefragt wird, wozu man uns noch braucht«. Den größten Beifall erntete der Vorgänger von Homburger, Walter Döring, der im Zusammenhang mit dem Flowtex-Skandal verurteilte ehemalige Wirtschaftsminister. Als er in den Saal rief, das sei ihm hier alles zu negativ und man solle die Auseinandersetzung mit Rot-Grün annehmen, dann werde man die schon »vom Acker hauen«, tobte der Saal.
Birgit Homburger hatte in ihrer Eröffnungsrede Fehler eingestanden. Eigentlich aber, so ihr Fazit, hätten sich die Liberalen in der schwarz-gelben Koalition oft durchgesetzt, zum Beispiel beim Sprachtest für Vorschulkinder. Nun wolle sie nach vorne schauen. »In der Krise steckt auch eine Chance, an der ich mitwirken möchte«, bewarb sich die 45-Jährige um den erneuten Parteivorsitz. Die FDP müsse sich in der Opposition »pur und kraftvoll positionieren«, schließlich habe man ein gutes Programm. Die neue grün-rote »Linksregierung« mache dagegen zu viele Schulden und wolle allen die »Einheitsschule« aufzwängen. Bis zur nächsten Wahl 2016 solle die FDP die »attraktivste Mitmachpartei Baden-Württembergs« werden.
Dass Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel Homburgers effektive Arbeit an der Spitze der Bundestagsfraktion lobte, kam nicht nur gut an. »Wir wählen hier keine Fraktionsvorsitzende sondern eine Landesspitze«, sagte ein Delegierter. Die Wahl der Fraktionsspitze soll bereits am morgigen Dienstag stattfinden, erfuhr dpa aus dem derzeitigen Vorstand. Darauf hätten sich Homburger und der designierte Parteivorsitzende Philipp Rösler am Sonntag geeinigt.
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