Werbung

»Anerkennung ist für uns Motivation«

Zivilcourage-Preis für Organisatoren des Rockfestivals für Demokratie und Toleranz in Jamel

  • Lesedauer: 2 Min.

Jamel/Schwerin (dpa/ND). In Jamel in Nordwestmecklenburg geben Rechtsextremisten den Ton an. Doch seit einigen Jahren stoßen sie in dem 40-Seelen-Dorf auf spürbaren Widerspruch: Der Musiker Horst Lohmeyer (58) und seine Frau, die Schriftstellerin Birgit Lohmeyer (56), kauften 2004 den alten Forsthof und organisieren dort jedes Jahr im Sommer ein Rockfestival für Demokratie und Toleranz. Für ihren Kampf gegen Neonazis ehrt der Zentralrat der Juden in Deutschland das Ehepaar an diesem Donnerstag in Schwerin mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage.

Die Lage in dem kleinen Dorf habe sich seit der Verhaftung des NPD-Kreistagsabgeordneten Sven Krüger Ende Januar wegen Hehlerei nur oberflächlich beruhigt, sagt Birgit Lohmeyer in einem Gespräch. »Wir werden unter Druck gesetzt und drangsaliert.«

Ihr Mann sei schon auf der Fahrt ins Dorf, wo die Straße endet, von einem in Schlangenlinien fahrenden Auto ausgebremst worden. Für ihr Anwesen habe man ihnen »Kaufangebote« gemacht. »Sie sollten sich das überlegen, solange sie noch verkaufen können«, habe ihnen ein Rechtsextremist geraten, berichtete die Buchautorin. Auf die Frage, ob sie in dem Ort wohnen bleiben wollten, versicherte Lohmeyer: »Auf jeden Fall! Das ist unsere Heimat geworden.« Hoffnung auf den Zuzug von Freunden kann sich das Ehepaar gleichwohl nicht machen. Aus Angst, Rechtsextremisten könnten weitere Grundstücke kaufen, habe die Gemeinde Gägelow, zu der Jamel gehört, alle Baugrundstücke wieder umgewidmet. Auch die wenigen, nicht zu den Rechtsextremisten zählenden Nachbarn hielten sich bedeckt. »Das ist das Schlimme«, findet Lohmeyer.

Über die Auszeichnung des Zentralrats freut sich das Ehepaar. »Jegliche öffentliche Anerkennung ist für uns nicht nur Schutz, sondern auch Motivation«, betont Birgit Lohmeyer. Das Preisgeld von 5000 Euro solle ihrem Engagement für Demokratie und Toleranz zugute kommen. Eventuell könnte es für das Festival »Jamel rockt den Förster« Verwendung finden, sagt sie. Das soll in diesem Jahr vom 5. bis 7. August stattfinden.

Den Neonazis im Dorf bläst auch behördlicherseits der Wind ins Gesicht. Eine Plakette mit der Aufschrift »Dorfgemeinschaft Jamel, frei – sozial – national« auf einem Findling am Dorfeingang mussten sie nach einer Gerichtsentscheidung in der vergangenen Woche abmontieren, wie Gägelows Bürgermeister Uwe Wandel sagte. Auch ein Holzwegweiser, der unter anderem die Richtung und Entfernung zum Hitler-Geburtsort Braunau anzeigte, musste entfernt werden.

Gegen Krüger hat die Staatsanwaltschaft Schwerin in der vergangenen Woche Anklage wegen Hehlerei und Verstoßes gegen das Waffengesetz erhoben. Der NPD-Politiker und Abrissunternehmer soll gestohlene Baumaschinen verkauft haben. Bei einer Hausdurchsuchung waren nach Justizangaben zwei Schusswaffen gefunden worden, für die kein Waffenschein vorlag.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -