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Virtueller Sieg der Grünen
Partei suchte und fand bei Facebook Kandidaten für die Bürgermeisterwahl im brandenburgischen Uebigau-Wahrenbrück
Chancen wird der über Facebook gefundene Grünen-Kandidat bei der Bürgermeisterwahl nicht haben – doch immerhin einen PR-Sieg hat die Partei mit ihrer Internetaktion erringen können.
Der Schutz vor einem erneuten Hochwasser der Schwarzen Elster bewegt auch in Uebigau-Wahrenbrück viele Menschen. Die alten Dämme müssten erneuert werden. Bürgermeister Andreas Claus (parteilos) kämpft dafür. Aufmerksamkeit könnte nicht schaden. Aber jetzt rufen Journalisten wegen einer anderen Sache an.
Am 19. Juni ist Bürgermeisterwahl im südbrandenburgischen Uebigau-Wahrenbrück, und die Grünen stellen einen Kandidaten auf. Das besondere dabei: Sie haben ihren Mann im Internet gesucht und gefunden – beim Netzwerk Facebook. Das ist es, was ihnen jetzt überregionale Aufmerksamkeit verschafft. Dabei hat Amtsinhaber Claus gute Aussichten, seinen Posten zu verteidigen. Immerhin weiß er CDU und SPD hinter sich.
Wenn ihn überhaupt jemand in Schwierigkeiten bringt, dann vielleicht die ebenfalls parteilose Dittgard Hapich. Die Chefin des Arbeitslosenverbandes in Herzberg sitzt für die LINKE in der Stadtverordnetenversammlung und wird bei der Abstimmung am 19. Juni ins Rennen geschickt. Eine Überraschung wäre möglich. Immerhin ist den Sozialisten bereits ein Husarenstück gelungen. Zahnärztin Dagmar Mangold-König – außer ihr gibt es nur noch ein weiteres Mitglied der Linkspartei vor Ort – ließ sich überreden, bei der Kommunalwahl 2008 anzutreten, damit die LINKE in der Stadt überhaupt auf dem Wahlzettel steht. Als Mitstreiter gewann sie die parteilosen Dittgard Hapich und Petra Hoehne. Nur diese drei Frauen bildeten die linke Liste – und alle drei schafften den Einzug ins Stadtparlament. Ein erstaunlicher Erfolg, mit dem Fraktionschefin Mangold-König nicht gerechnet hatte. Die Zahnärztin erhielt übrigens die meisten Stimmen. Das macht Hoffnung.
Davon abgesehen nominierte auch die FDP einen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl. Aber von all diesen Dingen redet nun niemand. Die Zeitungen schreiben über die Facebook-Idee der Grünen. Dabei ist der im Internet aufgetriebene Bewerber von vornherein ein krasser Außenseiter. Denn die Ausgangslage der Grünen in der Stadt ist denkbar ungünstig. Lediglich 40 Stimmen erhielten sie bei der Kommunalwahl 2008. Das entsprach 0,5 Prozent und reichte nicht für ein Mandat. Zum Vergleich: Die CDU schaffte 33 Prozent, die FDP 18,9 Prozent und die LINKE 17,2 Prozent. Die 40 Stimmen der Grünen waren ein Desaster. Niemand schnitt derartig miserabel ab. Selbst dem schlechtesten Einzelbewerber gönnten die Wähler immerhin noch 86 Stimmen.
Doch damit nicht genug. Der Kreisverband Elbe-Elster trägt bei den Grünen die rote Laterne. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielten die Grünen im Wahlkreis Elbe-Elster/Oberspreewald-Lausitz II mit 3,5 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Partei bundesweit. Davon abgesehen zählt der grüne Kreisverband lediglich neun Mitglieder. So wenige seien es nach seinen Erkenntnissen nirgendwo sonst, berichtet Sprecher Christoph Wunnicke.
Die Grünen machen sich gar keine Illusionen. Sie bilden sich nicht ein, dass ihr Mann in Uebigau-Wahrenbrück tatsächlich Bürgermeister werden könnte. Unter der Hand gibt der eine oder andere das auch zu. Offiziell heißt es zwar: »Wir glauben an unseren Kandidaten. Er wäre gut für Uebigau-Wahrenbrück.« Aber das gehört zu den eisernen Regeln für Wahlkämpfer: Niemals zugeben, dass es gar nichts werden kann.
Bloß ein Grüner lebt in der Stadt. Es ist der Kreisverbandsvorsitzende Klaus Peschel. Der wünschte sich einen grünen Bürgermeisterkandidaten, wollte jedoch selbst nicht antreten und verfiel auf die Facebook-Idee. Der Bewerber musste nicht unbedingt Parteimitglied sein, sollte sich jedoch für grüne Ideale erwärmen. »Wir sind von der Resonanz total begeistert«, jubelt Peschel. Es habe Interesse aus der gesamten Bundesrepublik gegeben, aus Hamburg, Fulda und München beispielsweise. Mehr als 30 Anfragen trafen ein, darunter elf ernsthafte Bewerbungen, von denen sieben in die engere Auswahl genommen wurden. Die Entscheidung fiel zugunsten des 45-jährigen Gerald Heisig aus Eberswalde. Er sei sich der großen Aufgabe bewusst, gesteht der gelernte Kaufmann für Naturkost, der sich vom Nordosten Brandenburgs extra in den Süden begeben hatte, um sich auch noch persönlich vorzustellen.
Die Aufgabe ist allerdings nicht bloß groß, sondern geradezu gewaltig. Schließlich gibt es im Land Brandenburg bislang nur einen einzigen hauptamtlichen Bürgermeister, der den Grünen angehört: der Bürgermeister von Woltersdorf. Daneben amtiert noch ein ehrenamtlicher Bürgermeister und das war es dann auch schon. Lange hatten die Grünen überhaupt niemanden in einer solchen Funktion. Insgesamt geht es jedoch seit einigen Jahren aufwärts.
»Wir haben aktuell 886 Mitglieder in Brandenburg«, sagt Landesgeschäftsführer Julian Zurek. Der Zuwachs von April 2010 bis April 2011 betrug stolze 14,6 Prozent. Bei der Wahl 2009 schafften die Grünen nach einer langen Durststrecke endlich den Einzug in den Landtag. Es bewegt sich also etwas, sogar in Elbe-Elster. Denn obwohl die dortigen 3,5 Prozent bei der Bundestagswahl nirgendwo unterboten wurden – es waren wenigstens 0,3 Prozent mehr als vier Jahre zuvor.
Das ändert aber nichts daran, dass die Grünen in den ländlichen Regionen Brandenburgs zumeist keinen Fuß in die Tür bekommen. Den großen Parteien LINKE, SPD und CDU ergeht es besser. Rosig sind die Verhältnisse aber auch bei ihnen nicht. So unterstützt die SPD in Uebigau-Wahrenbrück den Bürgermeister Claus auch deshalb, weil die eigene Personaldecke dünn ist.
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