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Schutz vor Fluglärm auch gut für die Wirtschaft
Flugsicherung soll Routenvorschläge ernsthaft prüfen / Neue Südbahn fertig / Tödlicher Arbeitsunfall
Schönefeld (dpa/ND). Der Streit über den Himmel rund um Schönfeld geht weiter, während am Boden der Bau des Großflughafens eine Etappe nach der anderen nimmt – überschattet von einem tragischen Unfall.
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) will die jüngsten Vorschläge der Fluglärmkommission sorgfältig prüfen. Das kündigte Sprecherin Kristina Kelek am Mittwoch an. Der Leiter der Berliner DFS-Niederlassung, Hans Niebergall, hatte am Montag skeptisch auf den Beschluss reagiert, Berlins Südwesten und Potsdam westlich zu umfliegen und diese Route bis zur Höhe von gut 3300 Metern festzuschreiben. Dies sei eine spontane Reaktion gewesen, sagte Kelek.
Niebergall hatte der Flugsicherung damit die Kritik des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) eingehandelt. »Man kann nicht sagen, der Dübel passt nicht, wenn noch gar kein Loch gebohrt ist«, erklärte Ramsauer.
Unterdessen überschattete ein Unfall auf der Baustelle die Debatte um den Großflughafen. Ein Arbeiter war am Mittwochmorgen bei Fräsarbeiten fünf bis sieben Meter in die Tiefe gestürzt. Der 59-jährige Hamburger erlag am Unfallort seinen Verletzungen. Nach Angaben der Polizei war es der dritte tödliche Arbeitsunfall auf der Baustelle.
Mit einer Schweigeminute begann wenig später die Grundsteinlegung für das erste Bürogebäude auf dem Areal. Es handelt sich um das Berlin-Brandenburg Airport Center, für das die Flughafengesellschaft sowie die Investoren Fay Projects GmbH und HCI Capital AG den Grundstein legten. Es entsteht in der Airport City am Terminal des Flughafens und wird auf sechs Etagen 18 700 Quadratmeter Bürofläche bieten. Zu den Mietern zählen die Fluggesellschaften Lufthansa, Air Berlin und Easyjet sowie der Bodendienstleister Globe Ground. Das Haus soll im April 2012 fertig sein.
Am Dienstagabend war die Start- und Landebahn Süd offiziell fertiggestellt worden. Rund 7000 Lampen zur Beleuchtung der Betonpiste wurden am Dienstagabend angeschaltet. Der Test verlief ohne Probleme; damit ist die Anlage komplett. Der Flughafen ist für eine Anfangskapazität von rund 27 Millionen Passagieren ausgelegt und soll am 3. Juni 2012 eröffnet werden.
Insgesamt hat der Airport zwei Startbahnen, die unabhängig voneinander betrieben werden können. Die neue Südbahn ist 4000 Meter lang und 60 Meter breit. Zur Nordbahn wird die bisherige Südbahn des jetzigen Flughafens Schönefeld. Sie musste nur verlängert werden. »Alles was Flügel hat, kann hier starten und landen«, erklärte der Flughafen-Geschäftsführer Manfred Körtgen. Bis zum ersten Testflug dauere es aber noch voraussichtlich bis Anfang des Jahres 2012.
Im Streit um die Flugrouten verteidigte Minister Ramsauer die Lärmkommission gegen die Kritik, die Arbeit in dem Gremium solle die Bürger nur ruhig stellen. »Es geht nicht um eine Beruhigungspille, sondern um ernsthafte Arbeit.« Die Flugsicherung werde die Ergebnisse ernst nehmen – »auch wenn nicht jedes Detail eins zu eins übernommen werden kann.«
DFS-Sprecherin Kelek betonte: »Wir nehmen die Empfehlungen der Fluglärmkommission sehr gern entgegen.« Auftrag sei ein sicherer, flüssiger und geordneter Flugverkehr. Auch die Flugsicherung habe ein Interesse daran, dass möglichst wenig Menschen von Fluglärm betroffen sind. Die Deutsche Flugsicherung schlägt die Flugrouten vor, die letztlich von einer Bundesbehörde bestätigt werden müssen. Die Fluglärmkommission darf beraten.
Die Kommissionsvorsitzende Kathrin Schneider hofft, dass die Flugsicherung eine Ausnahme macht. Zwar werden 10 000 Fuß nirgendwo sonst in Deutschland praktiziert. Immerhin gebe es aber an den jetzigen Airports Schönfeld und Tegel Regelungen bis zur Flughöhe von 8000 Fuß.
Der jüngste Beschluss der Fluglärmkommission repräsentiere einen »breiten gesellschaftlichen Konsens«, bemerkte der Berliner Abgeordnete Wolfgang Albers. Die Flugsicherung täte gut daran, dies zu berücksichtigen. Die Linksfraktion erwarte, dass die DFS den Vorschlag »nicht nur sehr ernst nimmt, sondern ihn auch zur Grundlage ihrer Entscheidung macht.« Eine Ablehnung aus rein wirtschaftlichen Gründen sei nicht hinzunehmen. Lärmschutz sei auch gut für die Wirtschaft, weil er die Akzeptanz des für die Region wichtigen Großflughafens erhöhe.
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