Mit der Kamera nach Berlin
Kriegsfotografien von Timofej Melnik sind zurzeit im Rathaus Lichtenberg zu sehen
»Nach Berlin!« ist Titel der Ausstellung mit Kriegsfotografien von Timofej Melink, die seit dem 9. Mai, dem Tag des Sieges, im Rathaus Lichtenberg zu sehen ist. Die Präsentation, die das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst bereits vor einigen Jahren zeigte, »dürfte auch 66 Jahre nach Kriegsende nichts von ihrer Prägnanz eingebüßt haben«, meint Museumsmitarbeiterin Margot Blank zur Eröffnung.
Timofej Melnik, der 1911 in einer Bauerfamilie im Kursker Gebiet geboren wurde, zunächst Fotolaborant wurde und später im Abendstudium an der Universität in Charkow eine fotografische Ausbildung absolvierte, war bis 1938 Fotokorrespondent der Charkower Zeitung »Kommunist«. Auch während seines anschließenden Militärdienstes war er als Fotoreporter tätig. Den Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion erlebte er in Riga und zog mit seiner Fotokamera 1941 in den Krieg. Seine Arbeiten dokumentieren die Kämpfe und den Weg der Roten Armee von Russland, über Weißrussland und die Ukraine bis hin nach Berlin. Der Fotoreporter im Militärdienst wurde mehrmals schwer verwundet, dennoch zog er im April 1945 mit der siegreichen Sowjetarmee in die zerstörte damalige Reichshauptstadt ein. Hier entstand auch in den letzten Kriegswochen im April und Mai 1945 der wesentliche Teil seiner fotografischen Dokumentation.
Diese Bilder nun sind es vor allem – neben einer kleinen Auswahl seiner Arbeiten von Juni 1941 bis April 1945–, die im Ratssaal sowie in den Gängen der 1. und 2. Etage im Lichtenberger Rathaus zu sehen sind. Berlin in Schutt und Asche, Leichen auf den Straßen, Trümmerberge, deutsche Kriegsgefangene auf der Frankfurter Allee, Berliner, die im Zentrum nach Essen an einer sowjetischen Feldküche anstehen oder der Rotarmist, der ein kleines Mädchen aus dem Kinderwagen hebt. Es sind Bilder unserer Stadtgeschichte, die so aus eigenem Erleben nur noch wenige Berliner kennen. Umso wertvoller sind die Aufnahmen für die Nachgeborenen, nicht nur um die Erinnerung daran wach zuhalten, sondern auch weil Melnik durch seine Kamera immer den Menschen gesehen hat – ob Sieger oder Besiegte. Siegesparaden oder die Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde in Karlshorst hat er ebenso festgehalten wie das Elend der Verlierer. Beeindruckend für den Betrachter ist der lange Marsch der deutschen Kriegsgefangenen durch Moskaus breite Straßen. In leichter Sommerkleidung, Kinder auf den Armen schauen die Moskowiter auf die in langen grauen Mänteln gehende Männer – mitfühlend dokumentiert von Timofej Melnik.
Die Aufnahmen, die 1998 schon einmal in Berlin zu sehen waren, haben Historiker aus dem privaten Nachlass des Fotografen zu Tage befördert und dem Deutsch-Russischen Museum übergeben. Damals wurden sie in Berlin erstmalig einer Öffentlichkeit gezeigt und liegen seitdem auch als Bildband »Timofej Melnik, Nach Berlin. Kriegsfotografien 1941-1945«, Espresso Verlag vor, der im Museum für 15 Euro erhältlich ist.
Bis 1. Juli, mo.-fr. 8-18 Uhr, Rathaus Lichtenberg, Möllendorffstr. 6. Da der Ratssaal nicht immer zugänglich ist, vorher telefonisch unter 902 96 22 22 nachfragen.
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