Zwei Wahrheiten
Kommentar von Hans-Dieter Schütt
US-Journalisten fordern verstärkt die Veröffentlichung jener Videos, die Bin Ladens Tötung dokumentieren. Washington weigert sich weiter. Zu abstoßend sind Bilder, bei denen der Krieg Regie führt? Dem Publikum nicht zumutbar, was Kameras im Gräuel dokumentieren?
Das moralische Bedenken der politischen und militärischen Führung wird mit einem Ton vorgetragen, der Pietätsbewusstsein erheischt. Als erledige sich mit diesem Ton der Verdacht, Osama bin Laden sei möglicherweise grausam liquidiert worden.
Kommt Zeit, kommt Durchschlupf. Bislang konnte ein Mensch nicht grausam genug zugerichtet sein, um irgendwann nicht doch öffentlich zu werden. Ob nun als Kronzeuge oder Kitzel. Mag der Aufklärungsdrang an verschlossenen Archiven bohren und bohren – er wird Durchbrüche schaffen, auch wenn er dabei auf seine eigene Tragik stößt: Wahrheit setzt sich kaum noch als bewusste Erfüllung eines ethischen Auftrags durch, sondern wohl eher als Objekt einer übermächtigen Unterhaltungsindustrie. Die Bilder sehen will, die keiner sehen kann. Und die deshalb Furore machen.
Bitteres wie verlässliches Phänomen aller Aufklärung: Etwas wird erhellt, aber etwas Dunkles kommt dabei auch immer ans Licht.
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