Polizeipräsident setzt sich zur Ruhe

Dieter Glietsch hinterlässt nach neunjähriger Amtszeit eine modernisierte Behörde

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch wird mit 64 Jahren nach neunjähriger Amtszeit Ende Mai in den Ruhestand versetzt. Der Nachfolger steht nicht fest, ursprünglich wollte der Senat diesen heute benennen.

Dieter Glietsch hinterlässt am Ende seiner Regentschaft nicht zu übersehende Spuren. Er hatte im Mai 2002 eine 20 000 Polizisten zählende und von Durchstechereien, Intrigen und Korpsgeist geprägte Behörde übernommen. Grobes und rücksichtsloses Vorgehen, etwa gegen Demonstranten, gehörte gewissermaßen zum Markenzeichen der Einsatzkräfte. Bereits ein gutes Jahr später trat Glietschs Reform mit dem schlichten Namen »Neuordnung der Führungsstruktur« in Kraft, nach der u.a. Stäbe verschlankt wurden. Die Direktionen erhielten mehr Verantwortung und wurden den Bezirksgrenzen angepasst. Prävention bekam einen höheren Stellenwert – alsbald gab es kaum mehr ein Gremium, das sich ohne die Mitarbeit und guten Rat der Polizei mit Jugendkriminalität oder mit Gewaltritualen am 1. Mai befasste …

Bei Großeinsätzen erklärte Glietsch wie jeweils am 1. Mai die Deeskalation zur Handlungsnorm. Die Tendenz zu weniger Chaos wurde schnell sichtbar. Bis auf 2008. Da hatte er sich ins Kreuzberger Getümmel begeben, um sich einen Eindruck vom Geschehen zu verschaffen. Als ihn Linksradikale erkannten, flogen Steine und Stühle. Sicherheitsleute hatten Mühe, ihn aus der Gefahrenzone zu bringen. Sein Erscheinen hatte Deeskalationsbemühungen konterkariert und der Szene einen Vorwand zum Randalieren geliefert.

Der Polizeipräsident ist bis heute ein umstrittener Mann geblieben. Schon bei seiner Inthronisierung im Mai 2002 wurde die Vermutung geäußert, er hätte den Posten allein seinem SPD-Parteibuch zu verdanken. CDU, FDP und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatten den als konservativ geltenden damaligen Vizepräsidenten Gerd Neubeck bevorzugt. Noch nie, seit er im Polizeidienst sei, wäre er nach seiner Parteimitgliedschaft gefragt worden, kommentierte Glietsch damals etwas irritiert.

Mit der GdP befand sich der Polizeipräsident in einer Art Dauerfehde. Man bezweifelte die Grundaussage der jährlichen Kriminalstatistik, Berlin sei eine sichere Stadt, stritt um die Interpretation der Zahlen. Das Polizeipräsidium konterte: Die Veröffentlichung »ruft Experten auf den Plan, die sich berufen fühlen, positive Entwicklungen zu relativieren und – wenn sie nicht zu leugnen sind – darauf hinzuweisen, dass es dafür andere Erklärungen als gute Polizeiarbeit gibt«. Die GdP beklagte, der Stadt fehlten 4000 Polizisten. Die Verbliebenen würden im Schnitt monatlich um bis zu 250 Euro geringer bezahlt als andere Landes- und Bundespolizisten. Das neue Dienstzeitmodell, das Glietsch zu Jahresbeginn einführte, habe aufgrund des weiter gestiegenen Arbeitsdrucks zu einem Krankenstand von 10 bis 15 Prozent geführt.

Über die Jahre schien der stets etwas unterkühlt, aber zielstrebig wirkende Mann, der 1964 als Streifenpolizist begann und als Inspekteur der Polizei in NRW nach Berlin kam, dünnhäutiger zu werden. Von 2005 an ging er innerhalb von drei Jahren 15 mal juristisch gegen Medien vor, darunter gegen das ND. Wie der FDP-Abgeordnete Björn Jotzo anmerkte, habe sich der Streit »oft um Marginalien« gedreht. In einem Verfahren gegen die »taz« machte das Berliner Landgericht in einem Urteil vom April 2008 allerdings deutlich, dass der Polizeipräsident als Vertreter einer Landesbehörde nicht ohne weiteres Schadensansprüche gegen die Presse geltend machen könne. »Anders als den meisten Grundrechtsträgern« stünden dem Staat »durchaus Mittel und Wege zur Verfügung, seine Sicht der Dinge bekannt zu machen«. Dies gelte auch, wenn es sich bei dem beanstandeten Pressebericht um eine Fehlinformation handele, zitierte die »taz« aus dem Urteil.

Der CDU war Glietsch zu nahe an der SPD-Politik. Die Linkspartei lobte »zivilen Geist«, den er der Behörde verpasst habe. Was aber vor allem bei Demos gegen Aufzüge von NPD-Anhängern nicht immer sichtbar wurde – wie auch am vergangenen Wochenende (siehe rechts). Gleichwohl sagte Marion Seelig, innenpolitische Sprecherin der Fraktion, dem Polizeipräsidenten zum Ende seiner Amtszeit »großen Dank«. Die von Rot-Rot eingeführte Deeskalationsstrategie habe sich als erfolgreich erwiesen. Mit der individuellen Kennzeichnung von Polizisten komme ein weiterer Baustein für mehr Bürgernähe hinzu. Das Ziel »einer bürgernahen und transparenten Großstadtpolizei konnte in Zusammenarbeit mit Dieter Glietsch verwirklicht werden«, so Seelig.

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