Klammer Klassiker
Kleist-Ausstellungen in Berlin und Frankfurt (Oder)
Es gibt echte Gewehre und Säbel, ja sogar ein »Kleist-Phone«. Im Festjahr zum 200. Todestag des Dichters Heinrich von Kleist widmet sich eine große Doppelausstellung seinem Leben, der »Projektemacherei« und dem Werk.
Heinrich von Kleist hatte viele Gesichter – und Identitäten. Unzählige Bilder zeigen den Dichter, aber lediglich ein Porträt ist Experten zufolge als authentisch überliefert. Es handelt sich um eine Miniatur des Malers Peter Friedel, die Kleist 1801 an seine Verlobte Wilhelmine von Zenge schickte.
In Frankfurt (Oder), der Geburtsstadt des Dichters, der zu Lebzeiten nicht zu Ruhm gelangte und heute ein Klassiker ist, beginnt an diesem Sonntag eine große Doppelausstellung. Der andere Teil der Schau führt von der Oder ins Ephraim-Palais nach Berlin – dort, wo Kleist im Alter von 34 Jahren seinem Leben ein Ende setzte. »Kleist: Krise und Experiment«, lautet der Titel der Doppelausstellung, die in Berlin offiziell schon am Freitag in der Nikolaikirche eröffnet wurde. Die Schau ist einer der Höhepunkte des aktuellen Kleist-Jahres anlässlich seines 200. Todestages.
Inszeniert werden Leben und Werk des Schriftstellers (1777-1811), in aller Komplexität und Ambivalenz. In Frankfurt (Oder), wo Kleist in eine märkische Adelsfamilie geboren wurde, widmet sich die Schau seinen Identitäten: seiner symbiotischen Beziehung zu seiner Halbschwester Ulrike, seinen Netzwerken und seinem schwierigen Verhältnis zum Geld. Kleists Leben war von zahlreichen Krisen und Katastrophen geprägt. Er war Kindersoldat, bevor er in Frankfurt (Oder) studierte, erlebte den Untergang Preußens, musste instabile Lebensverhältnisse hinnehmen – am Ende erschoss er seine Freundin Henriette Vogel und sich selbst am Kleinen Wannsee. Diese Unbilden beleuchtet nun die Berliner Schau in drei »Katastrophenräumen«. Gezeigt werden Fotos von Kindersoldaten in diversen Kriegen, echte Gewehre und Säbel sowie Plakate mit Porträts anderer Prominenter, die das Ende ihres Lebens selbst bestimmen wollten, wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Ewa Gossart sagte.
Kleists »Projektemacherei« und seine prekäre Lebenslage dürften vielen Menschen heute nicht unvertraut sein, meinte Kurator Stefan Iglhaut. »Das ist keine Ausstellung, die Kleist nur als historisches Objekt auffasst.« Die Besucher der eine Zugstunde voneinander entfernten Standorte dürfen sich auf ein sogenanntes Kleist-Phone freuen, das als akustischer Begleiter mit »O-Tönen« des Dichters durch die Ausstellung führt.
Beide Teile der Schau sind bis zum 29. Januar 2012 geöffnet. Im Festjahr sind Theateraufführungen, Ausstellungen und Diskussionen auch im Ausland – etwa in Österreich und der Schweiz – geplant. In Frankfurt (Oder) stehen zum Beispiel vom 18. bis 30. Oktober die Kleist-Festtage mit Aufführungen des Maxim Gorki Theaters Berlin sowie von Rimini-Protokoll an.
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