Howoge: Sarrazin wusste Bescheid, Junge-Reyer nicht
(dpa). Die für die Howoge-Affäre damals zuständigen Senatoren – Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin und Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (beide SPD) – sind im Untersuchungsausschuss bei ihren unterschiedlichen Darstellungen geblieben. Sarrazin räumte als Zeuge am Freitag erneut ein, von der Auftragsvergabe ohne Ausschreibungen bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge gewusst und diese auch gebilligt zu haben. Junge-Reyer bestritt jegliche Kenntnis davon. Trotz mehr als fünf Stunden Befragung konnten die Abgeordneten keinem eine Falschaussage nachweisen.
Die Howoge hat jahrelang freihändig Millionenaufträge ohne die erforderliche Ausschreibung auch an die Baufirma des damaligen SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg vergeben. Hillenberg sprach von einem Volumen von sechs Millionen Euro. Sarrazin ließ entgegen früheren Aussagen offen, ob Junge-Reyer von diesen Verstößen ebenfalls wusste. Zuvor hatte er eher den Eindruck erweckt, auch seine Senatskollegin hätte aufgrund gemeinsamer Gespräche und Unterlagen davon wissen müssen. Typisch Sarrazin: »Das heißt nicht, dass nicht darüber gesprochen wurde. Ich weiß es nicht mehr.« Die Erinnerungslücken von Sarrazin führte der Grünen-Abgeordnete Jochen Esser auf das jüngst gütlich beigelegte Ausschlussverfahren von Sarrazin aus der SPD zurück.
Junge-Reyer war sich aufgrund hausinterner Nachforschungen in Unterlagen und Vermerken dagegen ganz sicher, dass die Vergabepraxis kein Thema des Senatorengespräches 2006 war. Im Mittelpunkt der damaligen Sitzung habe die Liquidität der Howoge gestanden, betonte die Senatorin. Von der rechtswidrigen Vergabepraxis habe sie erst Anfang 2010 aus der Presse erfahren. Ihr sei auch nicht die Haltung Sarrazins bekannt gewesen, dass er diese Praxis ausdrücklich billige.
Sarrazin betonte, es sei ihm immer um die wirtschaftlichste Vorgehensweise bei den Wohnungssanierungen der Howoge gegangen. »Für mich war wichtig, kompetente Planer auszusuchen und dann ein zielführendes Preisgespräch zu führen. Ob sich das mit der Notwendigkeit einer EU-weiten Ausschreibung gekreuzt hat, war für mich kein Thema. Ich habe das erst im Nachhinein zur Kenntnis genommen, dass es so ist«, sagte Sarrazin. Zudem habe er gewusst, dass auch Hillenberg im Auftrag der Howoge tätig gewesen sei. »Das war stadtweit bekannt.« Energisch wies er jedoch den Eindruck zurück, aktiv einen Rechtsbruch geduldet zu haben. Die Verantwortung dafür wies er dem Howoge-Vorstand zu.
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