Privatisierung soll helfen
Griechenland benötigt rasch neue Kredittranche
Athen (dpa/ND). Griechenland geht das Geld aus: Noch bis 18. Juli reichen nach einem Bericht der Zeitung »Kathimerini« vom Sonntag die Mittel in der Staatskasse. Der sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou spricht von einem drohenden Staatsbankrott. Athen will nun im Eilverfahren ein umfangreiches Privatisierungsprogramm starten.
Sollten die Experten der EU, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank nicht bis Ende Juni grünes Licht für die zwölf Milliarden Euro umfassende nächste Tranche des Rettungspakets geben, werde das Land Mitte Juli zahlungsunfähig sein, schrieb die Zeitung.
Nach Medienberichten plant die Regierung in Athen eine höhere Besteuerung von Immobilienbesitz und die Abschaffung der Boni für Staatsbedienstete. Weitere Kürzungen von Löhnen im staatlichen Sektor sowie von Pensionen und Renten werden nicht mehr ausgeschlossen. Für viele Produkte, darunter zahlreiche Lebensmittel, soll künftig der höhere Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent statt wie bisher 13 Prozent gelten. Außerdem sollten staatliche Immobilien verkauft und Unternehmen privatisiert werden.
Heute wird Papandreou das neue Vier-Jahres-Reform- und Stabilisierungsprogramm mit seinem Ministerrat besprechen. Am Dienstag will er sich nach Angaben seines Büros mit den Oppositionsführern treffen, um ihre Einwilligung einzufordern. Das neue Sparprogramm soll Anfang Juli vom Parlament gebilligt werden.
Eine Umschuldung schloss Papandreou erneut aus. Dies stehe nicht zur Debatte, sagte er der Zeitung »Ethnos«. Er kritisierte die Politik der EU, die manchmal zeige, keine Entscheidungen treffen zu können. »Wir dürfen aber nicht vergessen, dass unsere Partner uns gestützt haben. Ohne die Gelder der europäischen Bürger würden wir bankrott sein«, sagte Papandreou. Aus diesem Grund müsse Griechenland jetzt alle seine Verpflichtungen erfüllen.
Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, hatte kürzlich eine »sanfte« Umschuldung nicht mehr ausgeschlossen. Dazu könnten – anders als bei einem »harten Schuldenschnitt« – laut Experten Laufzeitverlängerungen für Kredite oder die Ermäßigung von Zinsen gehören.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beurteilte eine »weiche« Umschuldung für Griechenland weiterhin skeptisch. »Sollte es zu einer Veränderung der bisher getroffenen Absprachen kommen, ist dies nur denkbar, wenn sichergestellt wird, dass sich die privaten Gläubiger wie die Banken nicht aus Griechenland zurückziehen und am Ende die europäischen Steuerzahler für alles allein haften«, sagte Schäuble zu »Bild am Sonntag«. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, Griechenland habe Kredite mit einer Laufzeit über 2012 hinaus bekommen, darum könnten die Regeln jetzt nicht schnell geändert werden. »Verlässlichkeit an den Finanzmärkten ist auch ein wichtiges Gut«, sagte die Kanzlerin. Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff hielt dagegen eine Umschuldung der griechischen Kredite für unausweichlich.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte gegenüber »Spiegel Online«: »Natürlich gehört zu einer ehrlichen Diskussion auch die Debatte über eine Umschuldung.« Diese sei zwar schwierig zu führen, aber notwendig, um Akzeptanz für die europäischen Finanzhilfen zu bekommen.
Kanzlerin Merkel bekräftigte, dass im Euro-Raum künftig nicht nur die Schuldenregeln eingehalten werden müssten, sondern auch eine Angleichung der Sozialpolitik erforderlich sei. Renteneintrittsalter und demografische Entwicklung müssten zusammenpassen. Vor einigen Tagen hatte die Kanzlerin mit ihrer Forderung an Südeuropäer, länger zu arbeiten, heftige Kritik geerntet.
Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker bezifferte die möglichen Erlöse von Privatisierungen in Griechenland auf 50 Milliarden Euro. Gegenüber dem »Spiegel« sagte er: »Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere griechischen Freunde nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt eine regierungsunabhängige Privatisierungsagentur gründen würden.«
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