»Spaltung in Gut und Böse muss überwunden werden«
Sachsens ver.di-Chef Thomas Voß über Dresden am 13. Februar
ND: Sachsens Innenminister Markus Ulbig hatte vorigen Freitag zu einem Symposium eingeladen, in dem es um den Umgang mit den rechtsextremen Aufmärschen in Dresden zum 13. Februar und dem Protest dagegen gehen sollte. Welche Botschaft hatte die Veranstaltung für Sie?
Voß: Eine fatale. Sie lautete: Beim Protest gegen Rechts gibt es die Guten und die Bösen, nämlich diejenigen, die Menschenketten bilden, und jene, die auch zivilen Ungehorsam leisten, um sich den Nazis entgegenzustellen. Das vertieft eine Spaltung, die seit vielen Jahren besteht. Ich hatte gehofft, dass dies überwunden werden könnte.
Der Bundesrichter Uwe Berlit sagte, viele Bürger verlören Vertrauen in den Rechtsstaat, weil NPD-Demos kaum zu verbieten sind, Widerstand dagegen aber gegen das Gesetz verstößt. Haben auch Sie Vertrauen verloren?
Ich stehe zu Grundrechten wie dem Versammlungsrecht, das in der Demokratie unangetastet bleiben muss. Es kann aber auch nicht sein, dass alte und neue Nazis in Dresden Thesen wie die vom angeblichen »Bomben-Holocaust« offen propagieren können, ohne dass sich ihnen jemand entgegen- stellt. Manchmal muss man dabei eben zu Aktionen greifen, bei denen die Polizei eingreift – wobei ich nicht Schlagstöcke und Knüppel meine, sondern das Wegtragen aus einer Blockade. Nicht akzeptieren kann ich eine juristische Position, die sagt, man könne sich nicht wirksam wehren. Am Rand stehen und zuschauen – das kann es nicht sein.
Wer blockiert, sieht sich in Sachsen schnell als Extremist abgestempelt, der auch Steine auf Polizisten wirft. Hat das Symposium zur Differenzierung beigetragen?
Es hat, so wie es organisiert war, dieser Sicht Vorschub geleistet, die nicht hilfreich ist. Wenn junge Leute ernst nehmen, was wir Gewerkschafter aus historischer Erfahrung gegen Nazis sagen, und ihnen aber gleichzeitig gesagt wird, man könne nichts Wirksames gegen deren Aufmärsche unternehmen, dann radikalisiert man sie. Das wollen wir gerade nicht. Deshalb war ich einer der Erstunterzeichner beim Bündnis »Dresden nazifrei« mit dem Aufruf zu Blockaden. Wir müssen diesen jungen Leuten Möglichkeiten zum Widerstand geben jenseits vom Steinewerfen auf Polizisten, was natürlich inakzeptabel ist. Gewerkschaften stehen nicht für Gewalt, aber sehr wohl für wirksamen Widerstand gegen Nazis.
Laut Innenminister haben sich Nazis auch für 2012 in Dresden angemeldet. Sehen Sie Chancen für Proteste ohne Randale?
Der Konsens im Bündnis »Dresden nazifrei« lautet: Keine Gewalt. Leider gab es die von kleineren Gruppen trotzdem. Wir werden weiter versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Vor allem aber wollen wir die Trennung überwinden zwischen denen, die weit entfernt von den Nazis in Menschenketten stehen, und denen, die sich mit Sitzblockaden entgegenstellen. Die Spaltung in Gut und Böse muss überwunden werden. Das muss nicht heißen, dass sich CDU-Politiker in die Sitzblockaden einreihen. Sie sollten aber endlich akzeptieren, dass dies legitime Formen des Protests sind. Das Symposium hat dazu keinen Beitrag geleistet.
Was erhoffen Sie sich dennoch von CDU-Innenminister Ulbig?
Wir werden ihn weiter in die Pflicht nehmen und versuchen, den Dialog zu führen. Wir lassen uns nicht in das Feindbild Steine werfender Autonomer pressen, die nichts anderes im Sinn haben, als Polizisten zu verletzen. Das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist, mit möglichst vielen normalen Menschen auf der Straße zu sitzen und deutlich zu machen: Hier können Nazis nicht marschieren.
Interview: Hendrik Lasch
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