Poetisch und klug

Film »Microphone«

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Willkommen in Alexandria« – eine ungewöhnlich sanfte HipHop-Stimme empfängt den jungen Khaled. Nach seinem langjährigen Aufenthalt in den USA ist er der ägyptischen Heimatstadt entfremdet. Sein Vater spricht nicht mit ihm. Seine damalige Liebe will nach London emigrieren. Er schlingert durch die Straßen und entdeckt langsam das, was den Regisseur Ahmed Abdalla so fesselte, dass er seinen Film »Microphone« daraus machte: die junge ägyptische Subkultur.

Die Maschen der politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind eng. Doch in den verbleibenden Nischen entsteht Graffiti-Kunst, rollen Skater flink über die Gehsteige, wechseln Musikaufnahmen die Besitzer. Untermalt von Rock- und HipHop-Klängen.

Als der 33-jährige Regisseur als Tourist nach Alexandria kam, faszinierten ihn die überall verstreuten Graffitis. Er lernt eine Sprayerin kennen und taucht in die kreative Szene ein. Sechs Monate verbringt der gelernte Musiker mit den jungen Menschen. Macht Musik mit ihnen. »Es war ein Abenteuer und hat mein Leben verändert«, erzählte er kürzlich im Kino in den Berliner Hackesche Höfen.

Ähnlich geht es Khaled, dem Filmhelden. Geführt vom 12-jährigen Skater Yassin eröffnet sich ihm die bislang unbekannte Welt. Hier werden Plakate geklebt, es wird gefilmt, gedichtet und von anderen Welten geträumt. Sie sehnen sich nach spontanem Ausdruck, werden darin behindert. Sie wollen ihre Texte nicht abmildern. Suchen Verständnis und finden Ablehnung. Frauen einer Heavy-Metall-Band schminken ihre Gesichter schwarz, damit sie nicht erkannt werden. Musiker jammern aus dem gleichen Grund bei Kerzenlicht. Ihre Rebellion: poetisch und klug, niemals brutal.

Das denkt man zunächst auch von der Staatsmacht. In Gestalt des National Centers, das die Musiker unterstützt, gibt sie dezente Ratschläge oder Hinweise. Die Polizei bittet kleine Ansammlungen von Jugendlichen von der Straße, oft genügt ihr uniformiertes Erscheinen, manchmal reichen Blicke. Doch hinter der diskreten Fassade lauert prügelnde Gewalttätigkeit.

Hier bezieht sich Ahmad Abdalla auf den jungen Alexandriner Khaled Said, den die Polizei tot schlug. In einem Interview mit der »Zeit« sagte Abdalla, dass Khaled Saids Tod einer der letzten Funken gewesen sei, der das Feuer der Revolution entfacht habe. »Wir drehten den Film, während die Tat passierte, natürlich fand sie auf emotionaler Ebene ihren Weg in den Film.«

Viele »Microphone«-Charaktere spielen sich selbst. Abdalla spricht von einem organischen Prozess. Jeder habe spontan seine Ideen eingebracht und nur das von sich gezeigt, was er zeigen wollte. Fiktion und Realität verschwimmen. Und es entsteht ein glaubwürdiges und bewegendes Bild der vorrevolutionären Zeit Ägyptens.

Als die Zensur kam, erzählt Abdalla, der Fragen gerne mit Anekdoten beantwortet, beanstandete sie vor allem eins: das Graffiti »Revolution starts here«. Welche Revolution meint ihr damit, fragten die Zensoren. Sie sollten diesen Satz nicht wörtlich nehmen, das sei nur eine künstlerische Phrase, so argumentierte Abdalla. Und der Film wurde akzeptiert.

»Microphone« hat in Deutschland keinen Verleih. Eine einzige Kopie wird herumgereicht, der Film läuft am 21. Juni im Berliner »Arsenal«.

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