Ein letztes Hurra der Kohle
In Bottrop wurde die Zeche Prosper erweitert – so etwas wird es im Ruhrgebiet wohl nicht mehr geben
Bottrop. Der Knappenchor, ein stolzer Werksleiter und die heilige Barbara – bei der Eröffnungsfeier der neuen Sohle von Zeche Prosper in Bottrop fehlte es am Freitag an nichts, außer an einer dauerhaften Zukunft. Während die Kohleleute vom Revier die aller Voraussicht nach letzte große Erweiterung einer deutschen Zeche genossen, besiegelte der Bundesrat wie erwartet das Aus des Steinkohlenabbaus für 2018. Die neue Schutzheiligenfigur in 1159 Metern Tiefe unter der Ruhrgebietsstadt wird nur sieben Jahre lang gebraucht. Ein letztes Hurra voll Bergmannsstolz und Wehmut.
Unter einer Hochleistungszeche mit 4500 Mann im laufenden Betrieb einen weiteren 250-Meter-Schacht zu bohren – »das ist, als ob Sie unter ihren Keller ein komplett neues Fundament setzen, ohne dass im Schrank eine Tasse wackelt«, sagt ein stolzer Bergmann. Jedes größere Werkzeug musste zerlegt und unten neu montiert werden. Zehn Jahre dauerten die Arbeiten.
Es entstand ein kompletter Bahnhof mit kilometerlangem Streckennetz, die Zeche brauchte dickere Seile für die Förderkörbe, unten gibt es jetzt sogar Internetzugang und besonders hochwertige Kohle für mindestens 20 Jahre Förderung. Doch das ändert nichts an den Realitäten. »Als wir das hier geplant haben in den 90er Jahren, da hat doch niemand an Auslaufbergbau gedacht«, sagt der Technik-Vorstand der Ruhrpott-AG (RAG) Jürgen Eikhoff fast ein bisschen hilflos.
Flankierter Personalabbau
Jetzt verteidigt Eikhoff den letzten Ausbau, der rund 100 Millionen Euro gekostet hat. Ohne die neue Sohle wäre das Bergwerk nicht bis 2018 leistungsfähig, »nur mit der neuen Sohle können wir den sozialverträglichen Personalabbau bis 2018 gestalten«. Niemand soll »ins Bergfreie fallen«, so lautet die viel beschworene Formel – etwa für Grubenelektriker Rolf Mysliwietz, 45. Seit seinem 18. Lebensjahr ist er auf Prosper, 2016 geht er in den Vorruhestand. »Wie viel ich raus krieg – mal gucken, hab ich noch nicht ausgerechnet.« Sein Sohn macht gerade Abitur, der braucht dann vielleicht noch Unterstützung. »Vielleicht gehe ich irgendwo noch Steckdosenschrauben für 400 Euro auf dem Bau, kein Problem.« Aber die Zeche wird ihm fehlen, weiß er heute schon. »Fünf Uhr Frühschicht bis 13 Uhr, abends um acht im Bett – der Mensch ist ein Gewohnheitstier.«
Wehmut auch bei Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD). In der Ruhrgebietsstadt mit knapp 120 000 Einwohnern hängen insgesamt rund 6000 Jobs an der Großzeche und der nahe gelegenen Kokerei, die Anfang Juni an den Stahlriesen Arcelor Mittal verkauft wird – auch eine Folge des Kohleausstiegs. »Wir brauchen Ersatzarbeitsplätze und das braucht Zeit«, sagt Tischler. Bottrop hofft auf eine »grüne Zukunft« als Musterstadt des Ruhrgebiets für Umwelttechnik und CO2-Einsparung.
Spezielles Grubenwasser
Daran will sich auch die RAG beteiligen – etwa mit Pumpspeicherwerken in alten Zechenstollen oder mit der Zucht von Mikroalgen in warmem Grubenwasser. Doch am Eröffnungstag führten die RAG-Auszubildenden erst mal eine ganz andere Verwendung des Grubenwassers vor: Sie haben eine Destillationsanlage aufgebaut, die die Flüssigkeit zum 30-prozentigen Kräuterschnaps »Grubengold« veredelt, wie ein Lehrlingssprecher erklärt. Rezeptur geheim, Ausgabe an Probierwillige über Tage.
Und dann gibt es ja noch den letzten Strohhalm des deutschen Bergmanns: »Es weiß doch keiner, wie sich die Energiepreise bis 2018 entwickeln«, sagt RAG-Betriebsratschef Ludwig Ladzinski. Vielleicht wird irgendwann ja Bergbau ohne Subventionen möglich, hoffen die Optimisten. »Wir Bergleute sind noch da«, sagt Ladzinski, »die Ärmel bleiben aufgekrempelt«.
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