Arcadi Volodos

Der stille Star

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.
Arcadi Volodos
Arcadi Volodos

Das Licht im Saal ist gedimmt; nur der Flügel steht einsam im Licht eines Scheinwerfers. Weihrauchduft würde in diesem Moment nicht verwundern. Dass Arcadi Volodos für seine Konzerte eine geradezu sakrale Atmosphäre schafft, darf man keinesfalls als Virtuosenallüre abtun. Vielmehr wünscht sich der Pianist aufmerksame, konzentrierte Hörer – besser noch sie würden die Augen gleich ganz schließen. Mit Werken von Schubert und Liszt trat der Russe am Dienstag im Konzerthaus auf, zum krönenden Abschluss der Konzertreihe »Pianissimo«.

Allüren liegen diesem Musiker fern. Ohne Aufhebens läuft er zum Flügel – als ginge er eben mal an den Schreibtisch. Das Außerordentliche beginnt mit dem ersten Ton. Musik in ihrer Idealgestalt scheint Volodos dem Flügel zu entlocken: technisch vollkommen, ohne Effekthascherei, ohne den leisesten Anflug einer Anstrengung. Schuberts »Moments musicaux« streichelt der Pianist geradezu mit seinem weichen, runden, geschmeidigen Anschlag. Außerordentlich transparent ist der Klang und scheint doch gleichzeitig hinter einem hauchzarten Vorhang zu schweben. Wann war man von Schuberts melancholischer Innigkeit, seinem Wandern durch wortlose Erinnerungen je so ergriffen?

Exzellente Pianisten gibt es eine ganze Reihe. Arcadi Volodos darf man jedoch getrost das Attribut »weltklasse« anhängen. Weil bei ihm die mühelose Spieltechnik nicht Ziel des Übens ist, sondern Ausgangspunkt für ausgereifte Interpretationen. Musikwettbewerbe lehnt Volodos folglich ab; deren sportlicher Ehrgeiz sei der Musik wesensfremd. Auch gegenüber Tonaufnahmen hegt der Künstler Vorbehalte. Nur alle paar Jahre geht er ins Tonstudio; die Resultate reißen dann selbst strengste Kritiker zu Lobenshymnen hin.

Vor allem für sein poetisches Spiel und den Sinn für Klangfarben wird der 38-Jährige geschätzt. Vor rund 15 Jahren hielt man ihn noch für ein weiteres Mitglied des Rudels russischer Tastenlöwen; damals widmete sich Volodos häufig den den fingerbrecherischen Virtuosenstücken von Rachmaninov oder Skrjabin. Nach und nach aber streifte der Pianist das Löwenfell ab und gab seiner lyrischen Seite nach. Die deutschen Romantiker nehmen seither mehr Raum in seinem Repertoire ein.

Schuberts späten »Moments musicaux« folgte am Gendarmenmarkt dessen frühe, unvollendete f-Moll-Sonate. Auch sie spielt Volodos mit inniger Noblesse, verleiht ihr aber einen jugendlichen, schwärmerischen Tonfall. Durch die Tonarten des Kopfsatzes bewegt er sich, als würde er neugierig durch ein Spiegelkabinett wandeln; nervöse Aufgeregtheit bestimmt das Finale.

Nach der Pause ertönt Liszts h-Moll-Sonate, der kolossale Pottwal der Klavierliteratur. Hier genießt der Pianist das Schwelgen im Pathos, kostet aber auch liebevoll die intimen Momente aus; die Dämonie Liszts ist allerdings seine Sache nicht. Trotz der aberwitzigen Virtuosität des Stücks kultiviert Volodos auch hier einen warmen, runden Klang, der über die gesamte, nuancenreich gestaltete Lautstärkenbandbreite trägt: vom am Verstummen entlang schlitternden Pianissimo bis zum Fortissimo-Grollen. Das Publikum tobt und ringt dem Meister fünf Zugaben ab.

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