Das Ganze möglichst offen halten

Bis Sonntag gastieren die 9. Linken Buchtage mit Lesungen und Diskussionen im Mehringhof

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.
Lesung bei den Linken Buchtagen 2010
Lesung bei den Linken Buchtagen 2010

Heute Abend beginnen die 9. Linken Buchtage im Kreuzberger Mehringhof. Auch in diesem Jahr werden wieder rund 30 Verlage vertreten sein. Bis Sonntag Nachmittag wird es bis zu fünf Lesungen und Diskussionen gleichzeitig geben. Mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher werden erwartet.

2001 hatten der Alibri und der Verbrecher Verlag gemeinsam mit dem Buchladen Schwarze Risse die Buchtage ins Leben gerufen. Als Vorbild diente dabei die Linke Literaturmesse in Nürnberg. »So etwas gab es in Berlin vorher nicht«, sagt Evelyn Rahm, die die Linken Buchtage seit langem begleitet. Kleinverlage, deren Titel es nur selten ins Angebot der großen Buchhandelsketten schaffen und darum auf dem Markt kaum zugänglich sind, bekommen auf den Linken Buchtagen ein Podium geboten. Als »Hilfe zur Selbsthilfe« bezeichnet das Christian Walter vom Organisationsteam. Die Verlage sollen gestärkt werden, um ihre Existenz am Rande des Buchmarkts zu sichern.

Zwar ist es in der Hauptstadt leichter, Bücher abseits des Mainstreams zu erwerben. Die Infrastruktur linker Buchläden ist recht gut. Doch sehen sich Interessierte zunehmend einer Kriminalisierung ausgesetzt. Die spektakulären Prozesse gegen linke Buchhändler, die Anfang letzten Monats mit Freisprüchen endeten, sind ein Beispiel für die prekäre Situation politischer Literatur auch in Berlin.

Sitz der Buchtage ist der in den 70ern als autonomes Zentrum gegründete Mehringhof. Das hat finanzielle Gründe, denn Mehringhof e.V. stellt seine Räume zur Verfügung und unterstützt die Lesungen. Das große Haus mit den vielen Initiativen bildet aber auch das ab, was die Linken Buchtage zeigen wollen: eine große Bandbreite von Positionen, die sich nicht immer im Einklang befinden müssen. Realisiert worden sind die Buchtage darum unter Beteiligung fast aller dort ansässigen Organisationen wie den Lateinamerikanachrichten, der Kneipe Clash, Netzwerk e.V., der Schule für Erwachsenenbildung oder Schwarze Risse.

Auf den Buchtagen werden aber nicht nur Randthemen bedient. Zwar sind Nischenverlage wie der Männerschwarm Verlag vertreten. Aber auch bekanntere Häuser wie Edition Tiamat haben einen Platz im Programm. So verschieden die einzelnen Verlage sind, so breit ist auch das Themenspektrum. »Innerhalb der Klammer linker Themen möchten wird das Ganze möglichst offen halten«, sagt Christian Walter. »Die Ökologiebewegung soll hier genauso Platz haben wie die Auseinandersetzung zwischen antideutschen und antiimperialistischen Positionen.«

Dass das auch zu teils heftigen Auseinandersetzungen führen kann, konnte man im letzten Jahr erleben. Trotzdem sind kontroverse Debatten erwünscht. »An den Rändern verschwimmt es, klar«, sagt Walter. »Aber das muss dann ausdiskutiert werden.« Im Nachhinein gebe es oft Beschwerden darüber, dass dieses oder jenes Thema zu kurz gekommen sei. »Themen, zu denen es keine Neuerscheinungen gibt, können nicht abgedeckt werden«, gibt Evelyn Rahm zu bedenken.

Vertreten sind in diesem Jahr viele Themen aus dem Feld Ökonomie. Auch die Bereiche Bildung, Geschlecht und Sexualität, Gewerkschaften oder die Popkultur nehmen viel Raum ein. Politische Prosa im Programm zu etablieren, sei hingegen nicht gelungen. »Das stößt bisher auf wenig Interesse«, bedauert Evelyn Rahm. Lediglich ein Roman ist in diesem Jahr vertreten. Dafür wird man am Freitag um 18 Uhr mit AfricAvenir International über »50 Jahre afrikanische UN-Abhängigkeiten« diskutieren können und am Sonntag um zwölf Uhr wird die ehemalige Schulleiterin der Rütli-Schule ihr Buch »Kaktusküsse – Wer Überflüssige in der Schule aussortiert, darf sich über Hartz IV nicht wundern« vorstellen. Am Samstag um 14 Uhr steht im Mehringhoftheater »Erich Mühsam – Kein Lampenputzer« auf dem Plan. Das Duo Harry Rowohlt und Thomas Ebermann wird dann die egomanen Texte des Anarchisten vorlesen. DJ Patex, Manuel Schwiers und Frank Spilker besingen sie. »Das ist das Highlight – allerdings auch die einzige Veranstaltung, die Eintritt kostet«, sagt Evelyn Rahm. Alle anderen Veranstaltungen sind kostenlos.

Linke Buchtage, 3.-5. Juni im Mehringhof, Gneisenaustr. 2a. Programm: www.linkebuchtage.de

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