»Was soll ich tun?«
Ausstellung über Langzeitarbeitslose in Beschäftigungsprogrammen in der Urania
»Der deutsche Arbeitsmarkt ist kerngesund.« So sieht es die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, die Anfang dieser Woche die Arbeitslosenzahl von knapp drei Millionen stolz präsentierte. Doch obwohl sich Jobchancen teilweise verbessern, bleiben viele Langzeitarbeitslose auf Tätigkeiten in öffentlichen Beschäftigungsprogrammen angewiesen. Sie helfen im Kindergarten aus, in Nachbarschaftszentren oder der Obdachlosenhilfe – schlecht entlohnt und immer auf Zeit. Über Sinn und Unsinn dieser Maßnahmen macht sich jetzt eine Ausstellung in der Berliner Urania Gedanken. Unter dem Titel »Arbeit ohne Wert?« stellt sie Menschen vor, die in Beschäftigungsmaßnahmen tätig sind.
35 000 Ein-Euro-Jobber, MAE- und ÖBS-Kräfte gibt es allein in Berlin. Zum Beispiel die Alleinerziehende. Ihr Weg in die öffentlich geförderte Beschäftigung liest sich so: »Abitur in Tunesien, Ausbildung zur Medizinischen Assistentin, Umsiedlung nach Berlin«; und dann: »Tätigkeiten als Küchenhilfe, Kassiererin, Bandscheibenvorfall, arbeitslos«. Nach einer MAE-Maßnahme als Erzieherhelferin ist sie heute wieder ohne Job. Andere Erwerbslose haben nach der Teilnahme am Beschäftigungsprogramm eine feste Stelle bekommen. Rund 16 Prozent sind das insgesamt.
Zwei Kriterien müssen Tätigkeiten im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor erfüllen: Sie dürfen keine regulären Stellen ersetzen und sollen die Erwerbslosen fit machen für den Arbeitsmarkt. Doch wie sollen Menschen auf reguläre Jobs vorbereitet werden, wenn sie nur »ergänzende Tätigkeiten« ausführen dürfen? Das Dilemma beschreibt Rainer Esche, vor seiner Arbeitslosigkeit freier Journalist und aktuell Erzieherhelfer an einer Grundschule. Offiziell ist er zuständig für das Auf- und Abschließen des Schulhofs und die Ausgabe von Spielsachen an die Kinder – »die meiste Zeit stehen wir 'rum«, erzählt er. »Nur inoffiziell« unterstützt Esche auch die Lehrer im Unterricht. »Das, was wirklich sinnvoll ist, dürfen wir eigentlich gar nicht machen«, so seine Bilanz.
Für die Menschen, die die Ausstellung zu Wort kommen lässt, ist klar: Die Maßnahme bringt ihnen Anerkennung, Sinn im Leben und manchmal auch eine Berufsperspektive. Doch das gilt nicht für alle. Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband fordert deswegen, die »Sinnhaftigkeit der Tätigkeit« als drittes Kriterium für öffentliche Beschäftigung festzuschreiben: »Die Frage ist, ob die Arbeit Würde geben kann«, so Schneider auf der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung.
Ein Problem für Betroffene und Träger ist die Befristung der öffentlich geförderten Jobs. Fast verzweifelt berichtet eine Frau auf der Veranstaltung davon, dass sie nach dem Auslaufen ihrer zweiten Maßnahme »in ein schwarzes Loch gefallen« ist. »Was soll ich tun?« fragt sie das Podium, das darauf auch keine Antwort hat. Offene Fragen bleiben auch an anderer Stelle: Ist der Anspruch, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können müssen, »traumtänzerisch«, wie es Jens Alber vom Wissenschaftszentrum Berlin formuliert? Und dürfen Langzeitarbeitslose vom Jobcenter zur Teilnahme an Maßnahmen gezwungen werden?
Gerade den öffentlichen Beschäftigungssektor will Bundesarbeitsministerin von der Leyen übrigens radikal zusammenstreichen. Der Arbeitsmarkt ist eben kerngesund, auch wenn er den Erwerbslosen keine Perspektiven bietet.
Noch bis zum 24. Juni läuft die Ausstellung in der Urania (An der Urania 17, 10787 Berlin). Danach wandert sie durch die Bezirke.
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