Integration vom Sockel holen
Auftaktveranstaltung des Bündnisses gegen Rassismus und Sozialchauvinismus
Es dauert eine Weile, bis der Festsaal gut gefüllt ist. Doch schließlich sind trotz Feier- und Sommertag gut 70 Menschen in den Kreuzberger Club gekommen: Zur Auftaktveranstaltung des Bündnisses gegen Rassismus und Sozialchauvinismus (BRS) sind die Stuhlreihen vor der Bühne voll besetzt. »Bis zur letzten Patrone« lautete das Motto am Donnerstagabend. Damit bezieht sich das Bündnis auf eine Rede von CSU-Politiker Horst Seehofer, der in seiner diesjährigen Aschermittwoch-Ansprache gegen eine »Zuwanderung in die deutschen Sozialsystem« wetterte.
Stellvertretend für das Bündnis sitzen Mitglieder von avanti Berlin, der Antifa Friedrichshain und TOP B3rlin auf der Bühne, um in drei Themenblöcken durch den Abend zu führen. Rassismus, Sozialchauvinismus und Rechtspopulismus sind die drei Kernbereiche, denen sich ein Workshoptag am vergangenen Wochenende widmete. Auch vorbereitend für die Auftaktveranstaltung wurden dort Themenfelder und Handlungsperspektiven diskutiert.
»Nazis kann man blockieren, Integrationsdebatten nicht.« Im Publikum wird heftig genickt. Dieser einleitende Satz des Moderators bringt den Abend auf den Punkt. Das Bündnis gegen Rassismus und Sozialchauvinismus hat sich aus der Situation heraus gegründet, dass Ausgrenzung und Rassismus längst wieder in Alltag und Politik Fuß gefasst haben. Dazu gehört unter anderem die inflationäre Verwendung der Begriffe Integration und MigrantIn. Es gelte, den Begriff der Integration zu delegitimieren und vom Sockel zu holen, so das Bündnis. Gemeint ist dabei die Integration als Forderung, sich einzubringen, egal, ob mit der vermeintlich fremden Kultur oder mit der wirtschaftlichen Leistungskraft. Wer sich nicht oder ungenügend einbringt, wird ausgegrenzt als unwillig, »Sozialschmarotzer« und »Integrationsverweigerer«. Eine derartige Politik setze jedoch ein nationalistisches, an Ökonomie und Kapitalismus orientiertes Weltbild voraus: Integration sei das Versprechen »Bring dich ein, und du kannst Teil unseres Deutschland werden«, so das Bündnis. Sozialchauvinismus sei dabei kein Klassenspezifisches Problem, sondern trete Gruppen- und Schichtenübergreifend auf: »Arm und Reich gegen noch ärmer.«
In dieses Weltbild hinein veröffentlichen nun Politiker als »Tabubruch« gefeierte Schriften gegen sozial schwächer gestellte und solche Menschen, deren »Migrationshintergrund« zwei Generationen zurück liegt. Als eigenständiger politischer Faktor habe Rechtspopulismus zum Rechtsruck der Gesellschaft beigetragen, sagt Moritz von avanti. Parteien wie Pro Deutschland und Die Freiheit hätten zwar als rechts außen verortete Verbände noch mit dem Nazistigma zu kämpfen, ihre Aktivitäten stießen jedoch kaum auf Gegenprotest. Wirkungsvolle Gegenwehr bedarf einer inhaltlichen, theoretischen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung. Den Grundstein dafür hat das Bündnis mit seiner Auftaktveranstaltung gelegt. Nun müssen konkrete Handlungsperspektiven erarbeitet werden.
Zum BRS gehören viele Berliner Gruppen, die seit Jahren antifaschistische oder antirassistische Arbeit machen. Zudem gehören die Linksjugend ['solid] Berlin, die Grüne Jugend Berlin sowie das Bündnis Rechtspopulismus Stoppen zu den Akteuren im BRS.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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