Moskau drängt auf gemeinsamen Raketenschild

Heute soll auf der Tagung des NATO-Russland-Rates ein Vertragsentwurf übergeben werden

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Russland will der NATO einen Plan zur Schaffung eines gemeinsamen Raketenabwehrsystems in Europa vorschlagen. Den Vertragsentwurf wird Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow heute auf der Tagung des Russland-NATO-Rates in Brüssel offiziell übergeben.

Geht es nach Moskau, dürfen Abwehrstellungen und Radar nicht dort stationiert werden, wo sie russische Raketen abfangen könnten. Wie die Moskauer Tageszeitung »Kommersant« schreibt, werden dabei konkret Bulgarien, Rumänien, die Türkei und vor allem Polen genannt. Ein Radar möchte Moskau auch nicht in Tschechien sehen. Dazu kommen Beschränkungen für Typen von Abfangraketen, deren Anzahl und Geschwindigkeit. Diese, so Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow, der vergangene Woche dazu bereits mehrfach mit seinem US-amerikanischen Widerpart James Miller konferierte, müsse deutlich unter der von Interkontinentalraketen liegen und sich an der Geschwindigkeit von Kurz- und Mittelstreckenraketen orientieren. Schließlich hätten die USA die Notwendigkeit einer globalen Abwehr mit der Gefahr von Angriffen aus dem Nahen und Mittleren Osten begründet – Regionen also, deren Staaten bisher nicht über Langstreckenraketen verfügen. Auch die Verifizierungsmodalitäten sollen bis ins Detail geregelt werden.

Die NATO, so fürchten hiesige Experten, werde sich auf derartige Beschränkungen nicht einlassen. Dass Moskau überhaupt verhandelt, ist aus ihrer Sicht dennoch ein Riesenfortschritt. Als USA-Präsident George W. Bush erstmals mit entsprechenden Plänen herausrückte, reagierte Moskau noch mit totaler Ablehnung. Der Neustart der Beziehungen, wie ihn Russlands Präsident Dmitri Medwedjew und sein Kollege Barack Obama 2008 vereinbarten, brachte jedoch Bewegung in die festgefahrenen Abrüstungsverhandlungen. Moskau setzte in dem im April 2010 unterzeichneten und inzwischen ratifizierten neuen START-Vertrag zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen einen Passus durch, der den Zusammenhang zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen anerkennt – und zeigt seither auch in Sachen Raketenabwehr Verhandlungs- und Kooperationsbereitschaft.

Der Westen, sagte Vizeverteidigungsminister Antonow gegenüber »Kommersant«, müsse russische Besorgnisse nicht nur verstehen, sondern sie auch zerstreuen – durch völkerrechtlich verbindliche Garantien, dass das geplante System keine Bedrohung für Russland darstelle. Bei »Einschränkung unserer strategischen Möglichkeiten«, betonte Medwedjew erst im Mai auf seiner Jahrespressekonferenz, sei Russland gezwungen nachzurüsten. Das aber verschlingt gewaltige Ressourcen, die für die Modernisierung des Landes und Soziales gebraucht werden.

Konkrete Kooperationsangebote aus Washington stehen allerdings nach wie vor aus. Des Wartens offenbar überdrüssig, geht Russland deshalb jetzt in die Offensive und bringt den Westen damit in Zugzwang. Mehr noch. Am Freitag ermächtigte Präsident Medwedjew NATO-Botschafter Dmitri Rogosin zu Direktverhandlungen mit westlichen Staatschefs. Frankreich und Großbritannien stehen bereits in diesem Monat auf seinem Reiseplan, Verhandlungen in Washington im Juli. Rogosin selbst sieht seine Mission als eine der größten Herausforderungen für die russische Diplomatie an, ist aber entschlossen, sie erfolgreich zu Ende zu führen.

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