Moskaus Mann sondiert in Libyen

Sondergesandter Margelow nach Begegnung mit Aufständischen bereit zu Treffen mit Gaddafi

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die libysche Opposition sei bereit zu Verhandlungen mit der Gaddafi-Regierung. Das war die wichtigste Botschaft, die der Sondergesandte von Russlands Präsident Dmitri Medwedjew, Michail Margelow, Chef des außenpolitischen Ausschusses im Föderationsrat, von seiner Reise in den nordafrikanischen Staat mitbrachte.

Die Aufständischen, sagte Michail Margelow in einem Interview für Radio »Echo Moskwy«, seien keine Extremisten und seien sich der Verantwortung für die Zukunft des Landes bewusst. Auch habe sich der Provisorische Nationalrat nicht auf die Machtübernahme kapriziert und lehne die »physische Beseitigung« von Staatschef Muammar al-Gaddafi ab.

Er, so Margelow, sei daher zu einem Treffen mit Gaddafi bereit. Derzeit sei von einem Termin in der zweiten Juni-Dekade die Rede, meldete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf Delegationskreise. Sogar die Entsendung russischer Friedenstruppen ins Krisengebiet nach Abschluss der Operation westlicher Staaten kann Margelow sich vorstellen. Voraussetzung dafür sei ein entsprechendes UN-Mandat.

Russland, meint auch Viktor Oserow, Vorsitzender des Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit im Föderationsrat, der den Einsatz genehmigen müsste, trage als ständiges Sicherheitsratsmitglied Mitverantwortung für die Rückkehr zum Frieden in Libyen. Moskaus Blauhelme würden daher strikte Neutralität gegenüber beiden Seiten wahren. Ein Mandat für Russland sei dennoch problematisch, glaubt der Militärexperte Alexander Goltz. Möglich sei nur die Entsendung von Berufssoldaten. Bisher habe Moskau aber lediglich fünf Luftlandebataillone, die ausschließlich aus Vertragssoldaten bestehen. Diese Einheiten seien für Friedensmissionen nicht geeignet, außerdem würde ihre Verlegung Russlands Möglichkeiten zur Verteidigung des eigenen Landes schwächen.

Moskaus Vermittlung mache Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens in Libyen, glaubt der Leiter des Nordafrika-Zentrums der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexander Tkatschenko. Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der eaußenpolitischen Zeitschrift »Russland in der globalen Politik«, ist weniger optimistisch. Derzeit sei schwer einschätzbar, ob die Bemühungen Margelows – er hat Arabistik studiert und gilt als Kenner Nordafrikas – Erfolg haben werden. Die Konsultationen steckten in der Anfangsphase, auch habe Moskau bisher keinen konkreten Plan. Zusätzlich werde die Vermittlung dadurch erschwert, dass Moskau in Bengasi – der Hochburg der Opposition – keine Vertretung eröffnen kann. Das würde Zweifel an der Legitimität Gaddafis aufkommen lassen und dessen Verhandlungen mit der Opposition erschweren.

Der KPRF-Vorsitzende Gennadi Sjuganow hat Margelows Mission sogar scharf kritisiert. Russland spiele damit der NATO in die Hände, die ihre Luftangriffe fortsetzt. Außenminister Sergej Lawrow äußerte bereits vorige Woche Sorge, die Intensivierung der Bombenangriffe deute auf einen »schleichenden Übergang zur Bodenoperation« hin. Russland, heißt es, verfolge mit seinem Vermittlungsversuch keine eigenen Interessen in Libyen. Auch müssten die Afrikanische Union oder einzelne Mitglieder wie Südafrika beim Konfliktmanagement eine tragende Rolle spielen.

Kritische Beobachter hatten Margelows Sondierungen damit erklärt, dass Russland auf Nummer Sicher gehen und bei einem Machtwechsel in Tripolis seine Besitzstände wahren wolle. Beide Staaten hatten 2008 die gemeinsame Erschließung und Ausbeutung von Öl- und Gasfeldern sowie den Bau einer Bahnlinie vereinbart. Den Großteil seiner Waffen kaufte Gaddafi in der Sowjetunion und später in Russland.

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