Wasserrückkauf bleibt ein Traum
Eine Rekommunalisierung der BWB wird es vor den Wahlen nicht geben, dafür könnten die Preise sinken
Es ist der Traum vieler Bürger, Politiker und Aktivisten von Initiativen und Umweltverbänden: Ein kostengünstiger Rückkauf der teilprivatisierten Anteile von 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe (BWB), die im Jahr 1999 auf Jahrzehnte vom Senat an die Investoren von RWE und Veolia verkauft wurden. Nicht wenige der rund 666 000 Berliner, die im Februar dieses Jahres für den erfolgreichen Volksentscheid »Unser Wasser« stimmten, dürften gehofft haben, dass eine kostengünstige Rekommunalisierung unmittelbar folgt – und natürlich auch die Wasserpreise gesenkt werden. Doch zumindest die Hoffnung auf Rückkauf könnte bis auf Weiteres enttäuscht bleiben.
»Die Frage des Preises ist das zentrale Thema mit RWE«, erklärt Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) zu den laufenden Verhandlungen dem ND. Unter Zeitdruck will sich der Senat bei den Gesprächen nicht setzen lassen. »Es geht auch nicht darum, unbedingt noch vor den Wahlen einen Erfolg zu erzielen, sondern am Ende ein gutes Ergebnis zu haben.« Darüber hinaus müssten aus Wolfs Sicht sowohl die Gespräche mit RWE über den Anteilsrückkauf als auch die Neuverhandlungen mit Veolia über die Verträge synchronisiert werden. Nach einem schnellen Abschluss klingt das nicht.
Die Frage des Rückkaufpreises beschäftigt auch Heidi Kosche, Grüne-Abgeordnete und Vertrauensperson der Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch«. Kosche glaubt, dass der Senat zurzeit gute Karten hat: »RWE braucht dringend Geld für den Ausbau der Energienetze.« Zudem machten dem Unternehmen die Ausfälle aus dem Atomgeschäft zu schaffen. Unter Berücksichtigung all dieser und weiterer Aspekte hat Kosche nachgerechnet: Sie kommt auf einen Kaufpreis von zwischen 200 und 300 Millionen Euro für die RWE-Anteile. Was nur ein Bruchteil der 800 Millionen Euro wäre, die das Unternehmen laut Medienberichten selbst haben will.
Ein besonders wichtiger Faktor für den Preis dürfte das Ergebnis des Bundeskartellamtsverfahren sein. Die Wasserbetriebe haben inzwischen »umfangreiches« Material an die Prüfbehörde gesandt, sagt der Sprecher der BWB, Stephan Natz. »Eine Reaktion, die uns kommuniziert wurde, gab es noch nicht.«
Das Bundeskartellamt hatte im März dieses Jahres in einer ersten Schätzung die Wasserpreise in Berlin als um 25 Prozent zu teuer beziffert. Nun ist offen, ob die BWB die Prüfbehörde mit ihren Unterlagen überzeugen können, dass die Preise doch gerechtfertig sind. Zudem ist unklar, ob die Wasserbetriebe mit einer Klage gegen das kartellrechtliche Verfahren an sich erfolgreich sind. Beides ist jedoch unwahrscheinlich. Eher könnte es zu einer Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes kommen, die dann auch massive Auswirkungen auf den Unternehmenswert haben dürfte.
Die Aktivisten vom »Wassertisch« fordern derweil einen Stopp der Verhandlungen zwischen Investoren und Senat. Zwei Arbeitsgruppen beschäftigten sich zurzeit mit den offengelegten Teilprivatisierungsverträgen und einem Konzept für eine kostengünstige Rekommunalisierung der BWB, sagt Mathias Behnis. Außerdem sei man in Gesprächen mit den Fraktionen im Abgeordnetenhaus.
Einen anderen Weg geht unterdessen der ehemalige Sprecher des Volksentscheids, Thomas Rudek. Er hat eine Plattform »Berliner Wasserbürger« ins Leben gerufen, die ein Volksbegehren zur Mitbestimmung beim Rückkauf durchführen will. »Wer bestimmt, was die Konzerne für ihre Anteile bekommen?«, fragt Rudek. Das können doch nur die Berliner sein. Die »Wasserbürger« bereiten zudem eine Beschwerde vor der EU-Kommission zur Vergabe an die Privaten im Jahr 1999 vor.
Während all diese Verfahren einige Zeit dauern dürften, könnten die Wasserpreise aus einem anderen Grund noch vor der Wahl purzeln: Berlins Wirtschaftssenator bereitet nämlich eine Senatsvorlage vor, nach der Investitionszuschüsse, die sowohl vom Land Berlin als auch von privaten Unternehmern und Hausbesitzern geleistet werden, künftig anders in der Kalkulation der BWB behandelt werden sollen – zugunsten der Kunden. Das wäre ein Volumen von 20 bis 25 Millionen Euro für Preissenkungen, sagt Harald Wolf.
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