»Das kann die Feuerwehr bereinigen«

Atomexperte Gerhard Schmidt vom Darmstädter Öko-Institut über den Transport neuer Kernbrennstäbe

  • Lesedauer: 3 Min.
Gerhard Schmidt ist am Öko-Institut für Fragen der Entsorgung radioaktiver Abfälle zuständig.
Gerhard Schmidt ist am Öko-Institut für Fragen der Entsorgung radioaktiver Abfälle zuständig.

ND: Herr Schmidt, in Mecklenburg-Vorpommern streitet die Politik über die Gefährlichkeit von Transporten noch nicht abgebrannter Kernbrennelemente, die offenbar seit langem über den Rostocker Hafen transportiert werden, ohne dass jemand davon gewusst haben will. Was sagt der Experte dazu?
Schmidt: Im Normalbetrieb ist der Transport solcher unbestrahlter Brennstäbe vergleichsweise harmlos. Auch an noch nicht benutzten MOX-Brennelementen, deren Hinterlassenschaft nach Gebrauch so hochgefährlich ist, messen Sie außen allenfalls eine leichte Gammastrahlung, an einem Uranbrennstab messen Sie so gut wie gar keine Radioaktivität. Sie dürfen sich solche Transporte mit fabrikneuen Brennelementen deshalb auch nicht vorstellen wie etwa einen Castor-Zug mit gefährlichem Atommüll.

Noch nicht benutzte Brennelemente brauchen weder eine erhebliche Abschirmung noch dickwandige Transportbehältnisse. Nur lang müssen sie sein: Brennstäbe für Leistungsreaktoren messen etwa fünf Meter.

Trotzdem: Gibt es Unfälle bei diesen Transporten?
Die gibt es sicherlich. Selbst wirklich schwere Unfälle mit unbestrahlten Brennstäben sind aber noch lange kein Anlass zu Katastrophenszenarien. Wenn ein Uranbrennstab durch massive Zerstörungseinwirkung, etwa einen schweren Eisenbahnunfall, tatsächlich undicht werden und dabei Pelletts herausfallen würden, dann könnten Sie die mit einem Handschuh aufheben. Bei einem Plutonium enthaltenden MOX-Brennstab sollten die Aufräumarbeiten dagegen sehr sorgfältig und mit entsprechender Schutzkleidung erfolgen. Insgesamt wäre aber selbst ein schwerer Transportzwischenfall mit solchen unbenutzten Brennelementen mit den Mitteln so ziemlich jeder Feuerwehr zu bereinigen. Vom Gefährdungspotenzial ist das mit dem Transport von anderen giftigen Feststoffen zu vergleichen.

Warum müssen solche Transporte dann vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt werden?
Transporte von Kernbrennstoffen, ob bestrahlt oder unbestrahlt, unterliegen generell einer Genehmigungspflicht. Natürlich bleiben auch noch nicht benutzte Kernbrennstoffe ein sensibles Gut, da sie radioaktive Stoffe sind. Zudem unterliegen sie der internationalen und europäischen Kernbrennstoffüberwachung.

Wie viele solcher Transporte gibt es ungefähr jährlich in Deutschland? Ist das ein Routinevorgang?
Mit der Zahl der am Netz befindlichen Atomkraftwerke nimmt natürlich auch die Zahl dieser Transporte ab. Derzeit sind sie aber noch recht alltäglich. Sie können davon ausgehen, dass ein im Betrieb befindliches Atomkraftwerk durchschnittlich fünf solche Transporte pro Jahr empfängt.

Fragen: Velten Schäfer


Informationspolitik in der Kritik

Rostock (ND-Schäfer). Die Wellen schlagen hoch an der Küste. »Caffier macht Atomtransporte zur geheimen Kommandosache«, erklärt etwa Jürgen Suhr, Landeschef der Grünen. An seinen Kabinettskollegen vorbei, will Suhr erfahren haben, habe der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern europaweite »geheime Atomtransporte« zugelassen.

Auch die LINKE kritisiert die Informationspolitik des CDU-Innenministers, zumal die Rostocker Bürgerschaft als Mehrheitseignerin den Transport von Atommüll und hochradioaktiven Stoffen über den Rostocker Seehafen ablehnt. Landeschef Steffen Bockhahn nannte es »katastrophal«, dass der Hafen nicht informiert gewesen seien. Es habe in dem Rahmen auch Transporte gegeben, die von der Polizei durch das Land geleitet worden seien. »Wenn der Innenminister das anordnet und also eine Gefähdrung sieht, dann muss er auch Transparenz gewährleisten.«

Laut den Rostocker Grünen seien die Transporte auch nicht ungefährlich, da sich unter den Brennstäben auch MOX-Elemente befunden hätten, die bis zu sieben Prozent »hochgiftiges Plutonium« enthielten. Experten wie Gerhard Schmidt vom Öko-Institut in Darmstadt gilt der Transport unbestrahlter Brennelemente dagegen als vergleichsweise harmlos.

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