Sechs geschliffene Diamanten für Berlin

Seltene Zeremonie in Wilmersdorf: Junge Rabbiner bekamen ihre Ernennungsurkunden

  • Irene Runge
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein in Deutschland sehr rares Ereignis fand Sonntag in Wilmersdorf statt. Sechs ordinierte junge Rabbiner der orthodoxen Yeshiva Gedola Berlin erhielten von Israels Oberrabbiner Yoha Yehichel Metzger feierlich ihre Ernennungsurkunden überreicht. Das jüdische Lehrhaus gehört zur weltweiten Bewegung Chabad Lubawitsch, die auch in Berlin Synagoge, Familienzentrum, Kindergarten, Schule, Abendkurse, Sommerferienlager und ein koscheres Restaurant unterhält. Die Bewegung entstand im 19. Jahrhundert in Weißrussland, der Ort Lubawitsch war bis 1917 Zentrum. Das Akronym Chabad steht für drei hebräische Begriffe: Chochma (Weisheit), Bina (Verstehen) und Daat (Wissen).

Der Oberrabbiner hielt auch die Festrede. Sein historischer Rückblick fiel zugunsten der jüdischen Gegenwart und Zukunft in Deutschland aus. Vor wenigen Jahren, bekannte er, hätte er daran noch nicht geglaubt. Heute sehe er, dass Deutschlands Antisemiten im europäischen Vergleich dank klarer politischer und staatlicher Interventionen schwach seien, was Dokumente des Wiesental-Centers bestätigten. Deshalb komme er gern nach Berlin. Sein Besuch dient der jüdischen Welt als Signal des Aufstiegs hiesigen Judentums und der Chabad-Gemeinde. Mit Blick auf die anwesenden Fraktionsvorsitzenden Udo Wolf (LINKE) und Michael Müller (SPD) erklärte Metzger, er hoffe, dass der Senat bald Chabad-Bildungsmaßnahmen unterstütze, denn die neuen Rabbiner schmückten wie sechs geschliffene Diamanten auch die Stadt Berlin.

Für den charismatischen Oberrabbiner, Kind geflohener Breslauer Juden, gehört das Judentum seit über 1000 Jahren zu Deutschland, prägte Kultur wie Geschichte. Den jungen Rabbinern riet er, sich nicht der Gesellschaft zu verweigern, menschliches Leid zu erkennen, wahrhaft und friedensvermittelnd zu agieren. Das seien rabbinische Leitbilder. Mit menschlicher, welt- und staatsmännischer Kraft entwarf Metzger sein Bild von jüdischer Zukunft in Deutschland, das Vergangenheit bewahrt und sich auf die jüdische Lehre und das Leben in jüdischer Regelmäßigkeit bezieht. Zum Nachdenken über die Gegenwart regte auch der 22-jährige Elijahu Borodin in einem Grußwort an. In Odessa geboren, wanderte er nach 1989 mit den Eltern ein, studiert heute Mathematik an der Humboldt Universität und ist zugleich Student der Yeshiva – einmalig, aber trotz immensen Arbeitsvolumens, so der Redner, gut zu verbinden.

Dem Ideen sprühenden New Yorker Multitalent Rabbiner Yehuda Teichtal und seiner Frau Leah, die seit 15 Jahren mit wachsender biologischer und sozialer Familie in Berlin leben, verdankt Berlin diese Ergänzung jüdischen Lebens. Orthodoxe Visionen, erklärte er, brauchen moderne Medien, Internet, Twitter und Facebook. Bildung, Bildung, Bildung! empfahl der Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson schon Präsident Reagan für die Lösung sozialer Probleme.

In Anwesenheit des obersten Repräsentanten der Berliner Jüdischen Einheitsgemeinde und zweier ehemaliger Vorsitzender und in Abwesenheit von Vertretern des Zentralrats der Juden und amtierender Rabbiner aus Berlins anderen Synagogen ging die bemerkenswerte Zeremonie mit viel Beifall vonstatten. Zu erfahren war auch, dass im östlichen Berlin nahe dem Alexanderplatz eine Chabad-Außenstelle eröffnet wird, um auf die Ströme junger Israelis, jüdischer Amerikaner und Europäer zu reagieren, die heute zwischen Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg leben.

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