Phantasieloser Protest ohne Pappsarg

Bis heute findet in Berlin ein »Symposium zum Flüchtlingsschutz« statt, inklusive Demonstranten.

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.
Neben einem äthiopischen Flüchtling war auch der Innenminister eingeladen, der sagte, was er immer sagt.

Ein deutscher Innenminister spricht, wie ein deutscher Innenminister spricht. Stets ist es dasselbe schneidige Vokabular, das unverändert seit Jahrzehnten verwendet wird, nicht nur von Politikern der CDU/CSU. Das sollte einen nicht verwundern. Von »kriminellen Schleppern« ist da die Rede und von »Armutsflüchtlingen«, die »unter dem Deckmantel des Asyls« einreisen, um »kriminellen Machenschaften nachzugehen«. Dass man die Suada, die Hans-Peter Friedrich (CSU) routiniert herunterleierte und mit der pauschal alle Flüchtlinge diskriminiert werden, auch ungestraft auf einem Symposium vortragen kann, das sich ausdrücklich dem Schicksal von Flüchtlingen widmet, sollte einen hingegen stutzig machen.

Auf dem bis heute dauernden »Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz«, zu dem jedes Jahr Menschenrechts- und Wohlfahrtsverbände in die Französische Friedrichstadtkirche einladen, war gestern jedoch nicht nur Regierungspropaganda zu hören. Wenn es sich auch um eine zumindest fragwürdige Veranstaltung handelte, zu der rituelles Händeschütteln mit dem Minister ebenso gehörte wie das immergleiche salbungsvolle Gerede von der »Verantwortung« gegenüber politisch Verfolgten, war doch auch eine kritische Stimme zu hören.

Als eine Art menschliche Gegenfigur zum Minister hat man etwa den Filmemacher Dagmawi Yimer zu Wort kommen lassen, der nicht nur seine lebensgefährliche Flucht aus Äthiopien schilderte, sondern auch von einer Wirklichkeit sprach, von welcher der Innenminister offenbar nichts wissen will: »Solange die europäischen Regierungen die Diktatoren Afrikas unterstützen und finanzieren, müssen sie auch anerkennen, dass es Flüchtlinge gibt«, sagte er und sprach von der »Verlogenheit« der europäischen Politik, mit der »Flüchtlingsströme erst produziert werden«. Yimer, der politisch verfolgt wird, wurde in Bengasi festgenommen und zusammen mit 120 anderen Flüchtlingen in einem Container in den Sudan verfrachtet. Nach einer Odyssee, die ein halbes Jahr dauerte, schaffte er es schließlich auf die italienische Insel Lampedusa. Heute arbeitet er in Italien mit Flüchtlingskindern.

Vermutlich ist Yimer einer derjenigen, die Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl, meinte, als er – ganz in der Diktion des CSU-Ministers – davon sprach, dass auf den kenternden Flüchtlingsbooten auch Leute seien, »die wir brauchen können, nicht nur Leute, die uns ausnutzen«.

Vor der Kirche wollte eine Hand voll Menschen ihrem Protest gegen die deutsche Flüchtlingspolitik auf die bewährte Art Ausdruck verleihen: Sie hatten eine selbst gebastelte Skulptur aufgestellt, die einen Pass darstellen sollte. Davor standen zwei Menschen, die mit roten Overalls bekleidet waren und jeweils mit einem Paddel in der Hand, das wohl ein Gewehr symbolisieren sollte, versuchten, Menschen fernzuhalten, die blaue T-Shirts trugen. Gelang es den beiden, mit ihren Paddeln dem Träger eines blauen Hemdes den Weg zu versperren, musste der solcherart Ferngehaltene sich auf einen Stuhl setzen, den Kopf hängen lassen und ein Schild mit der Aufschrift »Abschiebung« hochhalten.

Vor 30 Jahren mag derlei albernes Treiben einer Laienschauspielgruppe noch als »phantasievoller« Protest gegolten haben. Den Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung den Weg nach Europa suchen, ist mit derlei Possenspiel jedoch wenig geholfen. Schließlich hat bis heute kein einziger der zahllosen Pappsärge, mit denen auf Demonstrationen »die Bildung zu Grabe getragen« wurde, auch nur eine einzige Kürzung im Bildungswesen verhindert.

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