- Brandenburg
- Brandenburg
Minister dolmetscht für Flüchtlinge
Günter Baaske besucht Wohnheim in Eisenhüttenstadt und räumt Defizite bei der Ausstattung ein
»Im Mittelpunkt des Schicksals von Flüchtlingen muss die Menschlichkeit stehen«, sagte Sozialminister Günter Baaske (SPD). Gestern besuchte er die Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt. »Es ist unsere Pflicht, den oft traumatisierten Frauen, Männern und Kindern eine menschenwürdige Lebenssituation zu sichern«, erklärte der Politiker.
Baaske verwies darauf, dass sich unter Rot-Rot die Situation von Flüchtlingen verbesserte. Die Residenzpflicht wurde gelockert. Viele Landkreise bemühen sich, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen und nicht in den verhassten Heimen. Allerdings ist das nicht überall möglich, weil in einigen Städten geeignete kleine Wohnungen knapp sind. Mit Ausnahme von Oberhavel geben inzwischen alle anderen Landkreise zumindest an den Großteil der Flüchtlinge keine Gutscheine mehr aus. Sie zahlen die Sozialhilfe stattdessen bar aus. Aber eine Werbetour für rot-rote Flüchtlingspolitik sollte der Ministerbesuch trotzdem nicht werden. Dafür sorgten 20 Menschen von der Flüchtlingsinitiative Brandenburg, die vor dem Tor der Erstaufnahmestelle demonstrierten. Sie forderten durch ein Megafon lautstark die komplette Abschaffung der Sammelunterkünfte und der Gutscheine sowie Arbeit und Bildung für alle Flüchtlinge.
Chamberlin Wandji aus Kamerun verwies darauf, dass aus afrikanischen Staaten viele Studenten fliehen müssen. »In Deutschland dürfen wir als Asylbewerber aber nicht unser Studium fortsetzen. Das ist eine verschenkte Ressource.« Auch die Bedingungen in Eisenhüttenstadt wurden kritisiert: Es herrsche keine Willkommenskultur. Durch den Zaun und die Kameras fühle man sich wie im Gefängnis. Die Nähe zur Abschiebehaftanstalt mache Angst. In der Kantine gebe es jeden Tag Kartoffeln. Und der Zustand der Sanitäreinrichtungen sei unakzeptabel.
Baaske räumte nach seinem Rundgang Defizite in der Ausstattung ein und versprach, eine Lösung anzugehen. Die Möbel stammen noch aus der DDR. Der Zahn der Zeit nagte an ihnen. Sehr nachdenklich machte es Baaske, dass ihn zahlreiche Flüchtlinge auf Probleme mit der Gesundheitsversorgung ansprachen. Eine afghanische Mutter klagte, der Arzt habe bei ihrem Baby, das ihrer Meinung nach an einer chronischen Bronchitis leide, keine Diagnose erstellt. Ein Jugendlicher hatte das Gefühl, dass sein verletzter Fuß nicht sachgerecht behandelt wird. Baaske sollte sich als Englischdolmetscher und als Arzt betätigen. Die erste Aufgabe meisterte er zu aller Zufriedenheit. Die zweite lehnte der studierte Lehrer ab.
»Der Arzt im Heim kann oft keine sachgerechte Diagnose erstellen, weil er die Patienten nicht versteht und keine Dolmetscher zur Verfügung stehen«, erklärte Wandji. Die Integrationsbeauftragte Karin Weiss will sich jetzt um die medizinische Versorgung in Eisenhüttenstadt kümmern.
Die Zahl der Asylbewerber ist seit 2006 wieder gestiegen, ohne jedoch die hohen Zahlen aus den 90er Jahren zu erreichen. Allein 2010 gab es aber gegenüber 2009 einen Anstieg um 40 Prozent. In diesem Jahr wird wieder ein leichter Zuwachs erwartet. Grund sind die Spannungen in Afghanistan, Iran, Irak und Nordafrika.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.