Boulevard der leeren Leinwände
Mit dem »Broadway« schließt ein weiteres Kino mit anspruchsvollem Profil
Das Kinosterben rund um den Kudamm geht leider in eine weitere Runde. Am 23. Juni fällt im Broadway am Tauentzien der letzte Vorhang. »Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen,« gesteht Christian Bräuer, Geschäftsführer der Yorck Kinogruppe. »Die Kündigung durch den Vermieter kam für uns aber nicht überraschend. Der Tauentzien ist eine der umsatzträchtigsten Einkaufsmeilen der Stadt. Mit Läden können Mieten erzielt werden, die wir mit einem Kino nicht erwirtschaften können.«
1973 wurde das »Broadway« als »CINEMA PRINCESS« mit einem Saal eröffnet. Stolz nannte es sich das kleinste 70mm-Kino der Welt. Das Haus wurde dann 1979 von der Yorck Kinogruppe übernommen und in den 90er Jahren umgebaut. Heute spielt es in vier kleinen Sälen mit 161, 105, 86 und 62 Plätzen rund um die Uhr.
Mit einem speziellen Profil konnte das Kino seinen Platz in der hauptstädtischen Kinolandschaft behaupten. Tausende Kinder sahen hier ihre ersten Filme, schwärmten von Monstern, Prinzessinnen und träumten sich in ein Abenteuerland. Zwei bis drei Vorstellungen pro Tag schnitt das Kino gezielt auf die Wünsche der kleinsten Zuschauer zu. Wobei niemals die neuesten Blockbuster aus Hollywood auf dem Programm standen. Im »Broadway« fanden die Jüngsten liebevoll umgesetzte Geschichten aus der ganzen Welt, die an ihre Erfahrungen anknüpften oder sie mit auf Entdeckungsreisen rund um den Erdball nahmen.
Diesen Schwerpunkt will die Yorck-Gruppe erhalten. Künftig wird das Kinder-Kino im Kreuzberger »Yorck« ein neues Domizil finden. Auch im Filmtheater am Friedrichshain soll dieses Angebot ausgebaut werden. Für individuelle Anfragen ist man auch dort offen. Jeder Lehrer wird von einem Mitarbeiter der Kinogruppe bei der Filmauswahl beraten. Für jeden Titel liegt weiterführendes Begleitmaterial bereit. »Das Angebot spricht sich langsam rum,« konstatiert Bräuer, der aber bemängelt, dass das Angebot an neuen Kinder-Filmen im Arthouse-Bereich allgemein schmaler wird.
Die jetzt rund 200 Vorstellungen für Kinder scheinen gesichert. Und auch die Berlinale, die im Haus seit zwei Jahren mit ihrem Kiez-Kino Unterschlupf gefunden hatte, wird eine neue Spielstätte finden. Schwieriger wird es jedoch für das Stammpublikum des Hauses aus der Umgebung und der gesamten Stadt. Es fand dort Filme, die sonst kaum eine Chance im Spielplan hatten. Der Dokumentarfilm »Kinshasa Symphony« lief beinahe ein halbes Jahr in dem Filmtheater am Tauentzien. »Wir konnten dort Filme programmieren, die ruhiger waren und nicht so im Fokus standen und für die unsere anderen Häuser wie das ›Cinema Paris‹ oder das ›Delphi‹ zu groß sind. Außerdem konnten wir durch die vielen kleinen Säle ein abwechslungsreiches Angebot machen,« beschreibt Bräuer die Programmphilosophie. »Es ist auf jeden Fall ein Verlust für einen Kiez, wo sonst alles auf Tourismus und Einkauf ausgerichtet ist.«
Die Schließung trifft die Zuschauer besonders hart, da der nahe gelegene Zoo-Palast noch bis weit ins kommende Jahr restauriert wird. Im Moment sind das »Delphi«, das »Cinema Paris« und die »Astor Filmlounge« die letzten Überlebenden der einstigen Kinoflaniermeile rund um die Gedächtniskirche. Legendäre Filmtheater wie das Astor, die Filmbühne Wien, der Royal Palast, Lupe 1 und 2 und weitere Häuser mussten in den vergangenen zehn Jahren Einkaufstempeln weichen. Dennoch möchte die Yorck Kinogruppe den Zuschauern in Charlottenburg bald ein neues attraktives Angebot machen. »Wir würden hier weiter gerne präsent sein und suchen intensiv nach einer Lösung.»
Berlin verliert mit dem »Broadway« ein weiteres Stück Kultur. Es büßt damit auch einen weiteren kleinen Teil jenes Flairs ein, das Einheimische und Touristen anlocken soll. Und die Chancen, den Titel »City of Cinema« zu erringen, um den sich die Stadt seit drei Jahren bei der UNESCO bewirbt, könnten so erheblich sinken.
Allerletzte Sondervorstellungen von »Manhattan« bei freiem Eintritt am 23.6., 15/17.30/19 Uhr
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