CSD: Zwischen Fete und Politik
Rund 700 000 Menschen feierten auf der Parade zum Christopher Street Day
Viel Glitzer und Lärm gegen gesellschaftliche Diskriminierung: Viele tausend Lesben und Schwule aus ganz Deutschland haben in Berlin mit einem bunten Umzug zum Christopher Street Day (CSD) für mehr Toleranz demonstriert. Mit exzentrischen Kostümen und laut wummernder Techno-Musik zogen sie am Samstag vom Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor. Am Straßenrand verfolgten Zehntausende Schaulustige die Parade, die aus 54 Wagen und etlichen Fußgruppen bestand.
Insgesamt zählten die Veranstalter rund 700 000 Menschen. Im vergangenen Jahr waren gut 600 000 zum CSD nach Berlin gekommen. Die Spitze des Zuges führte wie jedes Jahr der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an. Seine Trainingsjacke zierte auf dem Rücken der Schriftzug »Mutti vons Janze«. Begleitet wurde Wowereit von seinem langjährigen Lebenspartner Jörn Kubicki. Auch andere Berliner Spitzenpolitiker ließen sich sehen, etwa CDU-Landeschef Frank Henkel.
Einen Tag vor Beginn der Frauen-Fußball-WM lautete das Motto des 33. CSD »Fairplay für Vielfalt«. Es wandte sich gegen Homophobie im Sport. Das regenbogenfarbene Startband zerschnitt deshalb der Präsident des Fußballclubs Union Berlin, Dirk Zingler. Gerade im deutschen Volkssport Fußball ist ein »Coming Out« eher die Ausnahme – zu groß ist die Angst vor Diskriminierung. Politik, Kultur und anderen Lebensbereiche sind da längst viel offener.
Auf der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor sagte Wowereit, in den vergangenen zehn Jahren sei schon »unheimlich viel« erreicht worden. Als Beispiele nannte er eingetragene Lebenspartnerschaften von Homosexuellen und andere rechtliche Errungenschaften. Grund zur Entwarnung gebe es aber nicht. Teile der Gesellschaften seien noch immer von Diskriminierung und Homophobie gekennzeichnet.
Wowereit lobte den Umgang des Frauenfußballs mit Homophobie, wo sich »etliche Spielerinnen« getraut hätten, sich zu outen. Bei den Männern sei das noch ein großer Tabubereich. Der SPD-Politiker forderte den Deutschen Fußball-Bund (DFB) dazu auf, dort aktiv zu werden. Der Zivilcourage-Preis ging in diesem Jahr an die ehemalige Spielerin von Turbine Potsdam, Tanja Walther-Ahrens. DFB-Präsident Theo Zwanziger lobte die Profifußballerin bei der Preisvergabe für ihren offenen Umgang mit ihrer Homosexualität. »Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie eine Lesbe ist.«
Im vergangenen Jahr war es zu einem Eklat gekommen, als die legendäre Geschlechter-Theoretikerin Judith Butler den Preis ablehnte. Butler kritisierte die Veranstaltung als zu kommerziell und oberflächlich.
Während des bunten Umzugs gab es auf den Wagen schrille Drag Queens, leicht bekleidete Sambatänzer sowie Männer in Lack und Leder zu sehen. Aber auch Teilnehmer im Piratenkostüm oder Biene-Maja-Outfit tanzten auf der Parade. Transparente mit politischen Forderungen erinnerten daran, dass die CSD-Parade eigentlich eine Protestveranstaltung ist. Kritiker monieren seit Jahren, dass sich der Christopher Street Day immer mehr zu einem kommerziellen Volksfest entwickele.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) würdigte Wowereit für seine Verdienste für die Homosexuellenbewegung. Mit seinem mutigen Schwulen-Outing vor zehn Jahren habe Wowereit einen großen Schritt zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen in der Gesellschaft eingeläutet, sagte LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein der dpa. Am Vorabend des CSD hatte Wowereit in einer kurzen Predigt in der St.-Marien-Kirche in Berlin zu Offenheit, Respekt und Verantwortung gegenüber Minderheiten aufgerufen.
Der CSD erinnert an einen Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeirazzien im Jahr 1969 in der New Yorker Christopher Street. Seitdem gehen Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle jedes Jahr für ihre Rechte auf die Straße. Die größten Paraden in Deutschland gibt es in Berlin und in Köln, wo in einer Woche bunt demonstriert wird.
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