Nazis reagieren nach Angriffen

Brandanschläge auf fünf linke Projekte / NPD unterwegs mit Frontbann 24-Eskorte

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

In den letzten Tagen gab es eine Serie von Überfällen auf Wahlkämpfer der rechtsextremen NPD. Die Polizei vermutet die Täter im linksautonomen Spektrum. Verfassungsschutzpräsidentin Claudia Schmid sprach im rbb von einer »neuen Qualität« der Angriffe und von der Gefahr einer »Eskalation zwischen Rechts und Links«.

Am Samstag wurde NPD-Landeschef Uwe Meenen laut Polizei auf der Bornholmer Brücke von fünf Vermummten geschlagen, getreten und mit Reizgas besprüht. Ebenfalls am Samstag schlugen und traten Vermummte auf den Neuköllner NPD-Bezirkskandidaten Sebastian Thom ein, als er Wahlflyer verteilte. Die Täter entwendeten Wahlwerbung der NPD. Bereits am Mittwoch war der Neuköllner NPD-Bezirksverordnete Jan Sturm in Neukölln von Vermummten zusammengeschlagen worden. Einen weiteren Angriff auf einen NPD-Wählkämpfer gab es am Freitag. Am Sonntag traf es vor dem S-Bahnhof Karlshorst den fraktionslosen Lichtenberger Bezirksverordneten Torsten Meyer, der gerade Unterstützerunterschriften für die islamfeindliche Partei »Pro Deutschland« sammelte. Fünf Männer und Frauen bewarfen ihn mit Wasserbomben und einer Glasflasche. In allen Fällen ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz. Die Leiterin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, vermutet hinter den Anschlägen immer dieselbe Gruppe von Linksextremisten. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die Polizei die Täter bald ermittelt. NPD-Landeschef Uwe Meenen kündigte indes an, seine Partei werde die OSZE informieren und Wahlbeobachter für die Abgeordnetenhauswahlen im September anfordern.

Hans Erxleben, Rechtsextremismusexperte der LINKEN, distanzierte sich in scharfen Worten von der »so genannten linken Gewalt«. Er sagte, »antifaschistisches Engagement billigt oder rechtfertigt in keinem Fall Gewalt gegen Personen. Unsere Partei steht für Entlarvung von menschenverachtender Politik der NPD, für Verachtung gegenüber Rechtspopulisten, für Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Aber Gewalt gehört nicht zum Arsenal linker Politik.« Mit Sorge sieht er, dass NPD-Chef Udo Voigt in Reaktion auf die Anschläge die Bürger zur »Bildung von Schutzmannschaften« aufrief. »Das erinnert mich fatal an die Schutzstaffeln der NSDAP.« Was Voigt darunter versteht, konnten die Bezirksverordneten aus Treptow-Köpenick letzten Donnerstag beobachten. Dort ließ sich die NPD-Fraktion von einem Trupp ehemaliger Angehöriger der verbotenen Kameradschaft »Frontbann 24« aus dem Saal eskortieren.

Vermutlich in Reaktion auf die Anschläge haben Unbekannte in der Nacht zum Montag insgesamt fünf Brandanschläge auf linke Projekte verübt. Zwei Wohnprojekte in Prenzlauer Berg wurden ebenso angegriffen wie ein ein Kinder- und Jugendzentrum der SPD-nahen Jugendorganisation »Die Falken« in Neukölln. Es entstand erheblicher Sachschaden. Nur durch Zufall kamen keine Menschen zu Schaden. Auch hier ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz. »Die Nazis nehmen bewusst den Tod von Menschen in Kauf. Die Anschläge auf Wohnhäuser und auf das Falken-Haus, in dem regelmäßig Kindergruppen übernachten, machen das deutlich«, verurteilt Christian Berg, Landesvorsitzender der Jusos die Aktionen. Weiterhin sind vor einem selbstverwalteten Hausprojekt in Kreuzberg zwei Autos in Flammen aufgegangen, nur das schnelle Eingreifen der Hausbewohner konnte ein Übergreifen auf das Gebäude verhindern. Ein Brandanschlag auf einen linken Infoladen blieb erfolglos.

Laut Anifaschistischer Linke Berlin (ALB) wurden alle angegriffenen Projekte im Vorfeld auf Outinglisten des Nationalen Widerstands (NW) Berlin genannt. Auf dessen Homepage habe es wenige Stunden vor den Anschlägen einen Aufruf gegeben »loszulegen, was nach den Ereignissen der letzten Nacht als Startsignal gewertet werden kann«, so ALB-Sprecher Lars Laumeyer gegenüber ND. Heute Abend findet eine Demo gegen die rechten Übergriffe statt, Start ist 19 Uhr am Heinrichplatz.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.