Siegfried und Tell mit Plattenspieler

Zwei sagenhafte Inszenierungen in der Schaubude

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Puppen- und Materialtheaterinszenierungen zu Sage und Legende hat die Regisseurin Astrid Griesbach als Berlin-Premieren in der Schaubude vorgestellt. Die Stücke fanden viel Aufmerksamkeit. Deshalb steht schon fest, dass sie in der neuen Spielzeit ab Herbst ins neue Programm aufgenommen werden. Gemeinsam ist den Inszenierungen »Siegfried der Drachentöter« und »Die Legende von Wilhelm Tell«, dass Griesbach ihnen eine gewisse Unberührbarkeit nimmt, ohne sie zu beschädigen. Überdies erreichte die Regisseurin eine Aufführungsqualität, die von intensiver gedanklicher Arbeit mit den beiden Themen zeugt. Dafür verlangt sie von den jeweils allein arbeitenden Puppenspielkünstlern schauspielerisches Können, das nicht selbstverständlich ist.

»Siegfried« – in deutscher Geschichte nationalistisch vereinnahmt – wird durch diesen Prozess wieder zur unbelasteten, sagenhaften Figur, so dass Griesbach ohne Probleme die zum Heldenepos geschaffene Musik Richard Wagners benutzen kann, ohne Deutschtümelei zu betreiben. Wie diese Inszenierung auf die Bühne kommt, ermöglicht die Sage um Macht und Gold eine zwanglose Annäherung.

Erzähler und Spieler aus einem mit allerhand Utensilien gefüllten Zimmer ist Mathias Lenz. Er warnt vor der Geschichte mit Rheingold, Ring und Lindwurm und vor den gewaltigen Wagner-Klängen, deren Notenmengen alles zuschütten würden, wenn er erst einmal die Schallplatte aufgelegt hat. Dann verwandelt er sich von Wotan bis »Supersiggi« in die Gestalten der Sage mit einer Lockerheit, die nichts zu wünschen übrig lässt. Auf kleinen, sich bei Bedarf drehenden Podesten sind die ihn dabei begleitenden Figuren wie aufgespießt angebracht. In Bewegung gesetzt und angeleuchtet wirken sie durch ihre Schatten auf einer Leinwand bis das Rheingold am Ende wieder verloren ist. Außerdem benutzt er Maske und Fingerpuppen, die ebenso in der zweiten Inszenierung eingesetzt werden.

In »Tell« nach Friedrich Schiller wird das Bühnenbild von aufgestapelten und von der Puppenspielerin Christine Müller später leicht zu bewegenden weißen Blöcken dominiert. Die Blöcke sind Berge, Täler, Schluchten, Marktplatz und werden schließlich zur jenem Sträßchen, vor der Schillers Tell deklamieren wird: »Durch diese hohle Gasse muss er kommen, es führt kein andrer Weg nach Küßnacht – Hier vollend ich's. – Die Gelegenheit ist günstig.« Eine schweizerisch touristisch gestalteten Tasche liefert die Farben der Landschaft dazu.

Müller erscheint als aufgeputzte, jodelnde Bäuerin, die sich mit der Legende auskennt. Geradezu spitzbübisch wird hier mit der Schweizer Mentalität gespielt. Diese Bäuerin ruht in sich. Es wundert sie kaum, in welcher Art sie von der Legende heimgesucht wird und nicht umhin kommt, von ihr mitgerissen zu werden. Das bringt sie nicht aus dem Trott. Und weil sie das immer macht, wenn Feierabend ist, setzt sie erst einmal einen Plattenspieler in Gang.

Christine Müller spielt mit kleinen Holzfiguren und wirbelt Papierschnipselstürme hoch. Einfallsreich wie in dem anderen Stück sind die Utensilien. Zusammengeklebte Plastikrohre funktionieren als Alpenhorn und als Armbrust.

Es kann alles zum guten Ende und dem Schluss der gnadenlosen Unterdrückung durch die Herrschenden kommen, denn die Regie hält sich an Schiller. Indes zeigt sie gemeinsam mit den Puppenspielern, welcher Art modernes Theater sein kann, bei dem Gegenstände lebendig werden.

Bis 1.7., 20 Uhr: Objekttheater von PMtoh, innerhalb »Transmission: Jakarta Aliens in Berlin!«, Schaubude, Greifswalder Str. 81, Prenzlauer Berg, Tel.: (030) 423 43 14, www.schaubude-berlin.de

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