Zeichen stehen auf Sondersitzung

Handy-Affäre in Sachsen: Grüne bezichtigen CDU-Innenminister Ulbig der Unwahrheit

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Handy-Ausspähung in Dresden am 19. Februar beschäftigte gestern den sächsischen Landtag. Weil der Innenminister Antworten schuldig blieb, droht aber weiter eine Sondersitzung.

Die Sommerpause muss wohl warten: Nach einer aus Sicht der Opposition unbefriedigenden Debatte zur Handy-Affäre schließt die LINKE die Einberufung einer Sondersitzung des Landtags für nächste Woche weiter nicht aus. Zudem halte man an Forderungen fest, Innenminister Markus Ulbig (CDU) abzuberufen, die Vorfälle unabhängig untersuchen zu lassen und Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu einer Äußerung zu bewegen. Das sagte ein Sprecher dem ND. Auch ein Untersuchungsausschuss wird nicht ausgeschlossen.

In der Aktuellen Debatte hatte Ulbig zunächst augenscheinlich die Devise beherzigt, wonach Angriff die beste Verteidigung ist. Er trat ans Rednerpult, noch bevor die LINKE als Antragsteller die Debatte eröffnet hatte. Der CDU-Mann rechtfertigte erneut die Abfrage von über einer Million Handy-Verbindungsdaten am Rand von Protesten gegen Naziaufmärsche. Diese seien durch schwere Straftaten gegen Polizisten überschattet worden, die man habe aufklären wollen: »Das kann kein Skandal sein.« Ulbig räumte ein, die Polizei habe zu Unrecht Daten auch gegen Blockierer verwenden wollen: »Das wird es nicht wieder geben.« Er beteuerte ausdrücklich, in den Datensätzen seien »keine Gesprächsinhalte und SMS enthalten«. Auch ein sogenannter IMSI-Catcher, mit dem Verbindungen und darüber hinaus Gesprächsinhalte in Echtzeit verfolgt werden können, sei nicht eingesetzt worden.

Das entspreche nicht der Wahrheit, sagte Johannes Lichdi, Innenexperte der Grünen. Der Abgeordnete erklärte, ihm lägen Beweise vor, wonach ein solches Gerät am 19. Februar im Stadtgebiet eingesetzt worden sei. Er warf Ulbig vor: »Sie legen noch immer nicht alles auf den Tisch.« Der Minister präzisierte, ein solches Gerät sei in der Verantwortung der Polizeidirektion Dresden nicht verwendet worden. Die Nachfrage der SPD-Abgeordneten Sabine Friedel, ob andere den Catcher genutzt hätten, blieb zunächst unbeantwortet. Am Nachmittag erklärte der Minister, man könne die Verwendung in einem anderen Ermittlungsverfahren nicht ausschließen. Denkbar wäre ein vom LKA gegen 17 »Linksextremisten« eingeleitetes Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Die Frage nach dem IMSI-Catcher ist nicht die einzige, die Oppositionspolitiker auch nach einer achtstündigen Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss sowie der Aktuellen Stunde umtreibt. In dieser hatte LINKE-Fraktionschef André Hahn erklärt, am 19. Februar sei offenbar »systematischer Rechtsbruch« erfolgt. Die massenhafte Ausspähung von Demonstranten, Anwohnern und Unbeteiligten zeuge von einem »tiefen Misstrauen der Regierung gegenüber der Bevölkerung«.

Trotz Hahns Aufforderung äußerte sich Regierungschef Tillich nicht. Für die Union erklärte Innenexperte Volker Bandmann, mit der Überwachung versuche man, nach den Ausschreitungen am 19. Februar die »Befehlsgeber der Gewaltorgie« zu finden. Kritik kam dagegen erneut von der FDP. Der Abgeordnete Carsten Biesok erklärte, die Daten seien zwar nicht rechtswidrig erhoben worden; es habe aber »massenhaften Missbrauch« gegeben. In Dresden sei »das erste praktische große Beispiel« exerziert worden, was Vorratsdatenspeicherung bewirken könne. Beim Einsatz solcher Mittel müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein: »Was wir hier erlebt haben, ist das Gegenteil.«

Wie weit die Sammelwut der Polizei ging, belegt der Umstand, dass auch Busunternehmen Auskünfte geben sollten, die am 19. Februar Demonstranten aus dem Bundesgebiet nach Dresden fuhren. Deren Ausforschung bestätigte Ulbig jetzt in der Antwort auf eine Anfrage der LINKEN.

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