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DDR-Journalisten im Visier
Mitarbeiterin der FDP-Fraktion schrieb fragwürdiges Gutachten für die Enquetekommission
Ein bizarres Gutachten wird am Freitag vor der Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Wendejahre verhandelt. Unter einem betont einseitigen Blickwinkel wird in dem Gutachten die Entwicklung der brandenburgischen Medien unter die Lupe und aufs Korn genommen.
Der Wert der Arbeit, vorgelegt von Ariane Mohl, einer Mitarbeiterin der FDP-Landtagsfraktion, besteht weniger in den dort angebotenen Erkenntnissen oder Schlussfolgerungen. Vielmehr ist dieses Werk das bislang offensichtlichste Dokument dafür, dass bei der Abrechnung mit der DDR solche Grundsätze wie Rechtsstaatlichkeit, wissenschaftliche Lauterkeit, Fairness und Menschenwürde nicht zwangsläufig mehr bindend sind. Wie in keinem zweiten Gutachten wird offenbar, dass das tatsächliche Verhalten zu DDR-Zeiten bei der heutigen Bewertung nicht ausschlaggebend ist, sondern die Methode gilt: »Sag’ mir, wo du heute stehst, und ich sage dir, wie deine DDR-Biografie zu bewerten ist.«
Man erfährt wenig über die wirklichen Umbruchverhältnisse nach 1990, aber alles über einen von Rachsucht und Mitleidlosigkeit geplagten Menschen. Vor allem aber ist dem Vorgang anzumerken, dass sich hier eine interessierte Seite die Unerfahrenheit und den Ehrgeiz einer jungen Frau zunutze gemacht hat, die mit einer Aufgabe überfordert war, die schon von der Fragestellung her in einem Gutachten nicht zu bewältigen ist.
Dem prüfenden Blick der als Politologin und Journalistin vorgestellten Gutachterin sind der Rundfunk Berlin-Brandenburg, vor allem aber die regionalen Zeitungen ausgesetzt. Unter der Überschrift »Personelle und institutionelle Übergänge im Bereich der brandenburgischen Medienlandschaft« schreitet die Dame zu einer Abrechnung, die auf Gesprächen und irgendwelchen Informanten basiert und vor allem auf einer undifferenzierten Haltung, wonach im Journalismus prinzipiell alles, was aus der DDR stammt, zu beseitigen ist.
SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher bezeichnete es als »Unding«, dass eine weisungsabhängige Mitarbeiterin der FDP-Landtagsfraktion, die doch eindeutig im Vergangenheitsstreit Partei bezieht, hier ein »unabhängiges Gutachten« vorgelegt haben soll.
Die Befangenheit dieser Dame ist aber eine doppelte, denn die »Märkische Allgemeine« (MAZ), die in dem Gutachten besonders schlecht wegkommt, war einst ihr Arbeitgeber. Die Volontärin war 2008 nach der Ausbildung nicht übernommen worden, und es entsteht nun der fatale Eindruck, das Gutachten habe ihr gestattet, mit den ehemaligen Chefs einmal abzurechnen. Ausgiebig widmet sie sich der Frage, wie die einzelnen Zeitungen vor allem in der Personalpolitik mit dem Thema Staatssicherheit umgegangen sind. Das dreiste Anlegen von zweierlei Maß wird vor allem im Vergleich der »MAZ« mit den »Potsdamer Neusten Nachrichten« (PNN) deutlich.
Während sich die »Gutachterin« nicht scheut, die einst bei der MAZ tätigen Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit dem Namen bloßzustellen, genießen hauptamtliche MfS-Mitarbeiter, die bis zum heutigen Tag bei der PNN gemeinsam mit einem einstigen Sprecher der Stasi-Unterlagenbehörde eine Stasi-Jagd veranstalten, den Schutz der Anonymität.
Bar jeden Verständnisses für die tatsächliche Lage während der Wende und in den Jahren danach wird im Gutachten munter von geltendem Recht, vor allem vom Arbeitsrecht abstrahiert und ein Schwarz-Weiß-Schema angelegt, das fast verzweifeln lässt.
»Eine Zensur findet nicht statt«, heißt es im Grundgesetz. Was hier vor der Enquetekommission liegt, ist aber in Teilen eine Nachzensur von Medien von einer kruden, rechthaberischen Warte aus. Erschreckend auch, wie von dieser jungen Frau jede Vorstellung, dass Menschen, die sich geirrt haben, auch hinzulernen und sich ändern können, kalt beiseite gewischt wird. Von dieser festen geistigen Plattform aus existiert natürlich bei ihr auch kein Sinn dafür, dass sich die Arbeit der früheren DDR-Journalisten nach der Wende äußerst positiv auf die Festigung der Demokratie ausgewirkt hat. Denn viele Westdeutsche hatten damals ob ihres Auftretens schnell den Vertrauensvorschuss verloren, den ihnen die politische Entwicklung zugespielt hatte.
Dass aber daneben ostdeutsche Journalistinnen und Journalisten am Werk waren, die wussten, wie die Menschen in den neuen Ländern ticken, die erspürten, vor welchen Fragen die Leser jeweils standen, war in seinem Wert gar nicht zu überschätzen. Diese Journalisten wirkten als Mittler zwischen dem westlichen und dem Ostdenken, und ihnen ist es zu danken, dass dieser Mix hier und da sogar produktiv gemacht werden konnte und dass Gräben nicht noch tiefer geraten sind, als sie es ohnehin schon waren.
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