Verfemte Kunst, verfolgte Künstler

Ausstellung in Lübeck zeigt 130 Arbeiten

  • Lutz Gallinat, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Während der nationalsozialistischen Diktatur von 1933 bis 1945 wurden Künstlerinnen und Künstler aus politischen oder rassischen Gründen aus dem offiziellen kulturellen Leben ausgeschlossen. In Lübeck widmet sich derzeit die Ausstellung »Verfolgt, verfemt, entartet« diesem Thema.

Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V. in Lübeck präsentiert in Erinnerung an die Verfolgung »entarteter« Künstler Werke aus der »Sammlung im Willy-Brandt-Haus«. Gezeigt werden 130 Arbeiten von 85 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern; einige waren mit ihren Arbeiten in der Nazi-Schau zu »entarteter« Kunst im Jahr 1937 zu sehen.

Verhöhnung war das Ziel

Unter der Bezeichnung »Entartete Kunst« werden die hitlerfaschistischen Maßnahmen der Aktion »Entartete Kunst« begriffen. Sie waren Teil einer komplexen politisch-ideologischen Strategie, alle für die faschistischen propagandistischen und politischen Ziele nicht verwertbare Kunst und Künstler zu unterdrücken und dafür ein adäquates kultur- und kunstpolitisches »Feindbild« zu generieren, das demagogisch unterschiedlichste Ressentiments gegen die moderne Kunst ausnutzte.

Propagandistisch setzte der Angriff der Nazis gegen die »Entartete Kunst« bereits um 1928 voll ein. Ein Zentrum der Propaganda wurde der von Alfred Rosenberg streng völkisch-rassistisch ausgerichtete »Kampfbund für deutsche Kultur« (seit 1929).

Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 wurden Künstlerinnen und Künstler aus politischen oder rassischen Gründen aus dem offiziellen kulturellen Leben verbannt. Mit Entlassungen, Berufsverboten, Beschlagnahmung und Vernichtung von Kunstwerken fing an, was für einige der Künstler mit der Ermordung im Konzentrationslager endete.

Das betraf Bildende Künstler, Musikschaffende wie Literaten gleichermaßen. Viele Künstler wanderten aus und versuchten, in anderen Ländern eine neue künstlerische Existenz aufzubauen. Die entscheidenden Orientierungen zum Kampf gegen die »Verfallskunst« und ihre »schädliche Wirkung« kamen aus den Kulturreden Hitlers seit 1933. Am 30. Juni 1937 wurde A. Ziegler als Präsident der Reichskammer durch Goebbels ermächtigt, Werke der »Verfallskunst seit 1910« für eine Ausstellung einzuziehen.

1937 zeigten die Nationalsozialisten in München dann die Ausstellung »Entartete Kunst«, welche die Bildenden Künstler, die nicht im Sinne von »Blut und Boden« arbeiteten, durch die Ausstellungsinszenierung und durch den Ausstellungsführer verhöhnen und lächerlich machen sollte. Es gab jedoch auch Besucher, die diese einmalige Schau zeitgenössischer Spitzenarbeiten entgegen den Intentionen der Nazis heimlich genossen.

Der Ausstellung wurde programmatisch die Eröffnung der »Großen Deutschen Kunstausstellung« einen Tag zuvor im neu errichteten Münchener »Haus der Deutschen Kunst« entgegengesetzt. Ab Juli 1937 wurde die Beschlagnahme zügig fortgesetzt.

Fast 17 000 Werke

Geraubt worden sind fast 17 000 Werke der Plastik, Malerei und Grafik aller nicht pseudonaturalistischen Kunstrichtungen seit dem Impressionismus; zahlreiche Wandgemälde, Architekturplastiken und Denkmäler hat man zerstört. Zu den Betroffenen gehören unter anderen Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz und Max Pechstein, deren Werke in der aktuellen Schau gezeigt werden.

Die Einzelschicksale dokumentieren die verschiedenen Facetten der Unterdrückung: die teils tragischen Versuche, durch Anpassung weiteren Repressalien zu entrinnen, die Flucht in den Untergrund, die Verzweiflung, die oft im Selbstmord endete, und die Zeugnisse von Verhaftung und Ermordung einzelner Künstler.

»Verfolgt, verfemt, entartet« – Werke aus der Sammlung im Willy-Brandt-Haus Berlin; bis zum 28. August 2011 im Kulturforum Burgkloster in Lübeck, Di - So 10 bis 20 Uhr. Informationen im Netz:

www.die-luebecker-museen.de

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