Duft in Farbe gegossen
Die Galerie der Berliner Graphikpresse zeigt Otto Niemeyer-Holstein
Er könne nur wiedergeben, was er sehe, dem er jedoch einiges von dem, was er wisse, hinzufüge. So wird aus einem Gespräch Otto Niemeyer-Holstein zitiert. Er umreißt damit treffend die eigene Sichtweise auf Kunst. Dies prüfen, ihn beim Wort nehmen, kann man derzeit in der Galerie der Berliner Graphikpresse.
Was dort an Malerei, Zeichnung und Druckgrafik des Granden unter den Künstlern der DDR gezeigt wird, steht repräsentativ für die Schaffensperioden zwischen 1932 bis 1983, ein Jahr vor dem Tod des 1896 in Kiel geborenen Sohns des Völkerrechtlers Niemeyer. Das Anhängsel Holstein als dezidierten Verweis auf seine geografische Herkunft fügte Otto später hinzu, blieb der Gegend am Wasser lebenslang verbunden: Ab 1933 lebte er, auch um der Kunstpolitik der Nationalsozialisten zu entkommen, auf der Insel Usedom, wo man heute noch sein Atelier, den ausgedienten S-Bahn-Wagen, besichtigen kann.
»Blick ins Land« ist auch die Zusammenschau der Graphikpresse überschrieben. Dass Land hier nicht nur Landschaft meint, sondern auch die Menschen, die dem Land einverwoben sind, versteht sich. Beides, Land und Mensch, unterliegen indes, gemäß jenem Zitat, nie dem Versuch einer naturalistischen Darstellung. Stets offeriert der Künstler seine Sicht.
Zu den frühesten Arbeiten gehört »Florenz« (1950), Öl auf Hartfaser, das Ergebnis einer regen Reisetätigkeit nach dem Krieg ist. Mit kurzem Strich, in pastellener Zartfarbigkeit, fast nervös, als wolle er die flirrende Hitze einfangen, baut sich hier der Blick auf die Stadt auf – ohne konkrete Merkpunkte, aber von unverwechselbarer Atmosphäre. Ähnlich hält er nur wenige Jahre später »Besonnte Berghänge« oder in »Rote Dächer« die Idylle eines Städtchens fest. Unter glatt blauem Himmel hingegen liegt 1957 die »Südliche Bergstadt« mit ihren flächigen Hausfassaden vor einem Bergmassiv, ganz Eindruck südlichen Flairs.
Auch in den Porträts reflektiert Niemeyer-Holstein Persönliches, wie er es entdeckt. So bleibt das Gesicht beim »Mädchen im Gegenlicht« von 1973/74 Fläche, nur die Haarschleife zeichnet sich vor dem Kreuz des ockerfarben gehaltenen Fensters ab. Beinah Pointillistisch tupft der Maler den diagonal »Sitzenden Akt« hin, hat indes »Paula Jüchser und Annelise Niemeyer« im ältesten Exponat ernst, kantig und mit so dünnem Farbauftrag am Tisch sitzend fixiert, dass die Textur der Leinwand noch durchscheint.
Wie Niemeyer-Holstein 1962 »Äpfel in Strohschale« malt, hat er gleichsam ihren Duft in Farbe gegossen; seine »Aktstudie« zeigt die Hockende tonig vor ebenso tonigem Hintergrund; und auch die »Landschaft bei Buchara« ist ganz aus verschwimmendem Grün und Ocker komponiert.
Gleich fein geraten seine grafischen Blätter, so die Radierung »Mainlandschaft« von 1966, ein schwebender Blick über den weiß belassenen Fluss, in dem sich eine Brücke und die Ufernatur spiegeln. Spät kam er zur Grafik und schuf, wie die Ausstellung nachweist, dennoch Qualitätvolles. Wenige Striche skizzieren »Frau Marciniak«, geben ebenfalls in Kohle den »Bewegten Strand« wieder: sich kräuselnd auf ganzer Fläche, die Steilküste eher ahnbar.
Besonders auch seine Radierungen zu Lüttenort, dem geliebten Refugium, bringen fast ornamental eine üppige Vegetation aufs Blatt. Drei Holzschnitte stehen für den ebenso souveränen Umgang mit dieser Technik: der beeindruckende »Zweifler« mit krauser Stirn und fragend geneigtem Kopf, wohl ein Selbstporträt; das welkende »Alpenveilchen« in seinem am Expressionismus geschulten Gestus; »Philemon und Baucis«, auch entstanden 1957, als ins Zentrum gerücktes Paar auf einer Bank, die Hände friedlich gefaltet nach durcharbeitetem Leben. Alles Meisterwerke.
Bis 1.7., Galerie der Berliner Graphikpresse, Gabelsbergerstr. 6, Friedrichshain, Telefon: (030) 42 01 24 40, Infos unter www.galerie-der-berliner-graphikpresse.de
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