Eine Artikel-Kopie führte die Polizei zum Täter
Mutmaßlicher Moschee-Brandstifter wegen sechs Taten angeklagt
Zwischen Juni 2010 und Januar 2011 erregte eine Brandanschlagsserie auf Berliner Moscheen die Öffentlichkeit. Die Abstände wurden immer kürzer, die Brandsätze immer gefährlicher. Alle Feuer konnten rechtzeitig gelöscht werden, es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann die Brandstiftungen in einer Katastrophe enden würden. Doch am 21. Januar war Schluss, der mutmaßliche Täter gefasst.
Gestern begann der Prozess gegen den 30-jährigen arbeits- und berufslosen Manuel, der der sechsfachen Brandstiftung und der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion angeklagt ist.
Dreimal hat er versucht, die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm anzuzünden. Er verwendete dafür gefüllte Benzinkanister, Molotowcocktails und Gaskartuschen. Es folgten Anschläge auf die Al Nur Moschee in Neukölln, das Gebetshaus der Iranischen Gemeinde in Tempelhof und schließlich auf die Lahore-Achmadiyya-Gemeinde in Wilmersdorf. Hier fraß sich das Feuer über einen Teppich in den Innenraum. An den Tatorten hinterließ Manuel bizarre Botschaften, mit denen er die Welt auf sich aufmerksam machen wollte.
So hinterlegte er beispielsweise an der Sehitlik-Moschee eine Karte der alten Bundesrepublik von vor 1990 mit dem Hinweis, dass es dem deutschen Volk damals besser gegangen sei. Eines dieser wirren Papiere führte schließlich auf seine Spur: An einer Gasflasche war ein kopierter BZ-Artikel aus dem Jahre 2007 unter der Überschrift »Amoklauf in der Kantstraße« angebracht. Zu sehen ist ein Mann mit Nazi-Symbolen, der zunächst einen Albaner niederschoss, ihn schwer verletzte und der sich dann selbst tötete.
Diese Artikel-Kopie hatte Manuel bei der BZ angefordert. Sie wurde ihm per Post zugeschickt. Eine Sekretärin wusste, dass auf die Ergreifung des Täters eine Belohnung ausgesetzt war und konnte der Polizei die Adresse des mutmaßlichen Täters übermitteln. Ein Spezialkommando griff zu. Bei der Polizei soll Manuel die Taten gestanden haben.
Die Motive blieben auch zum Prozessauftakt im Dunkeln. Politische oder islamfeindliche Hintergründe wollte der Staatsanwalt nicht erkennen. Er geht von einer schweren psychischen Störung des Täters aus. Er soll, so hieß es am Rande des Verfahrens, im Jugendalter von arabischen Jugendlichen geschlagen worden sein. Einzelheiten wollte der Staatsanwalt nicht nennen.
Zum Prozessauftakt beantragte die Verteidigung, die Öffentlichkeit auszuschließen. Da es sich bei dem Angeklagten um einen kranken Menschen handele und er bei den Taten nur vermindert schuldfähig gewesen sei, überwiege der Schutz der Persönlichkeit gegenüber dem öffentlichen Interesse.
Dem hielt die Staatsanwaltschaft entgegen, dass es sich bei den Taten um Vorgänge gehandelt habe, die große Unruhe in der Stadt ausgelöst hätten. Außerdem habe der Angeklagte die Öffentlichkeit gesucht, indem er Botschaften verbreiten wollte. Insofern sei es wichtig, dass die Öffentlichkeit über die Hintergründe des Geschehens informiert werde. Das Gericht beugte sich den Argumenten der Verteidigung und schloss die Öffentlichkeit aus. Vermutlich wird sich Manuel nach Prozessende einer psychiatrischen Behandlung unterziehen müssen.
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