Letzte Hürde für Berliner Schloss
Der Haushaltsausschuss beriet den Wiederaufbau der Preußen-Residenz
(dpa/ND). Über Kulturprojekte wird immer gestritten. Aber ein solches Wechselbad, wie es das Berliner Schloss seit Jahren erlebt, hat es selten gegeben. Infolge der Sparbeschlüsse der Bundesregierung stand der Wiederaufbau der Preußen-Residenz im vergangenen Jahr gar kurz vor dem Aus. Gestern wollte der Haushaltsausschuss des Bundestags endgültig grünes Licht geben (nach Redaktionsschluss), trotz der Mehrkosten von 38 Millionen Euro. Der Baupreis beläuft sich damit auf 590 Millionen Euro.
Dass in Zeiten knapper Kassen ein solches Mammutprojekt überhaupt Chancen hat, liegt an dessen Charakter. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer soll die »Wunde im Herzen der Stadt«, wie Politiker den leeren Schlossplatz nannten, geschlossen werden. Ob dafür das Wiederauferstehen alter monarchischer Pracht nötig ist oder ob ein moderner Zweckbau besser wäre – darum wurde jahrzehntelang gestritten. 2002 sprachen sich Zweidrittel des Bundestages für die Rekonstruktion des 1950 von der DDR gesprengten Schlossruine aus. Der Baupreis wurde auf 552 Millionen begrenzt.
Dass vier Jahre später 38 Millionen Euro Mehrkosten durchgehen sollen, wird mit einer komplizierten Rechnung begründet. Erst nach dem Entwurf des Architekten Franco Stella habe man das Projekt durchkalkulieren können, so die Verantwortlichen. Man sei auf eine Gesamtsumme von 590 Millionen Euro gekommen. Ziehe man davon die Preissteigerungen im Baugewerbe ab, ergebe sich eine Summe von knapp 549 Millionen.
Union und FDP hoben diese Rechnung in ihrem Antrag zu den Unterlagen des Finanzministeriums nochmals ausdrücklich hervor. Zudem wollen sie die Bauherren verpflichten, die für unvorhersehbare Risiken eingeplanten 30 Millionen Euro nicht lautlos einzubuttern – das Geld soll deshalb vorerst gesperrt werden.
Gleichwohl sind schon jetzt neue Diskussionen zu erwarten. Die entschiedensten Befürworter der Schlossvariante wie etwa Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz wollen die Barockresidenz möglichst komplett wiedererstehen lassen – inklusive der historischen Kuppel und wertvoller Verzierungen. Dem schoben Abgeordneten einen Riegel vor. Die 28,5 Millionen Euro dafür müssten durch Spenden hereinkommen. Der Förderverein Berliner Schloss konnte bisher erst wenige Millionen Euro Spenden sammeln. 80 Millionen sind schon als Beitrag zum 590-Millionen-Paket versprochen. 478 Millionen übernimmt der Bund, 32 Millionen das Land.
Die Kulturexpertin der Linksfraktion, Luc Jochimsen, kritisierte die Entscheidung schon im Voraus. »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.« Noch vor einem Jahr habe Bauminister Peter Ramsauer (CSU) den Bau mit dem Argument gestoppt, ein teures Schloss in schwierigen Zeiten sei ein schlechtes Signal.«
Chronologie
23. März 1993: Bund und Land Berlin beschließen die Auslobung eines Internationalen Städtebaulichen Ideenwettbewerbes zur Gestaltung des Schloßplatzes.
1993: Der Förderverein Berliner Stadtschloss setzt mit der Nachbildung der Schlossfassade an einem Gerüst die Debatte um einen Wiederaufbau in Gang.
20. Dezember 2001: Eine Expertenkommission schlägt einen Nachbau des Stadtschlosses mit barocken Fassaden vor.
4. Juli 2002: Der Bundestag beschließt die Wiedererrichtung der historischen Schlossfassaden.
8. November 2007: Das Stadtschloss darf nicht mehr als 552 Millionen Euro kosten. Mit dieser Auflage gibt der Haushaltsausschuss des Bundestages den Bau frei.
28. November 2008: Beim Bauwettbewerb zum Humboldt-Forum erhält der italienische Architekt Francesco Stella (Vicenza) den Zuschlag.
Januar 2010: Der Bau des Informationszentrums »Humboldt-Box« beginnt.
7. Juni 2010: Das Bundeskabinett beschließt, den Baubeginn für das Schloss von 2011 auf 2014 zu verschieben.
23. November 2010: Die Bundesregierung legt einen neuen Zeitplan zur Rekonstruktion des Schlosses vor, der 2014 beginnen und bis 2019 abgeschlossen sein soll.
29. Juni 2011: Die Humboldt-Box wird eröffnet. dpa
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