Diepenseer Luftnummer

Ein Dorf wurde wegen des neuen Berliner Airports umgesiedelt. Doch 2012 wird es wieder laut

  • Lesedauer: 3 Min.
Sie mussten dem neuen Flughafen Berlin-Brandenburg weichen und umsiedeln. Nun sorgen sich die Diepenseer, dass die Maschinen am neuen Ort über ihre neuen Häuser fliegen.

Berlin/Königs Wusterhausen (dpa/ND). Ausgerechnet Diepensee: Die Bewohner des heutigen Ortsteils von Königs Wusterhausen in Brandenburg fürchten, dass sie der Flughafen wieder einholt. »Wir machen uns Sorgen, dass uns der Fluglärm treffen könnte«, sagte Ortsvorsteher Helmut Mayer der Nachrichtenagentur dpa. Seine Gemeinde mit 335 Bewohnern war 2003 umgesiedelt worden, um dem neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld Platz zu machen. Nun führen auf dem Papier zwei der voraussichtlichen Hauptflugrouten ein bis zwei Kilometer an der Siedlung vorbei. »Wir werden uns artikulieren«, kündigte Mayer an.

Osten benachteiligt

»Man weiß erst, wenn der Flughafen in Betrieb ist, wo tatsächlich geflogen wird«, sagte der Ortsvorsteher. So gibt es in der Region Zweifel, ob alle Maschinen die scharfe Rechtskurve schaffen, die die Deutsche Flugsicherung (DFS) für Starts von der Südbahn nach Osten vorsieht. Ein Teil der Flugzeuge muss kurz darauf eine scharfe Linkskurve einlegen und zwischen Königs Wusterhausen und Wildau nach Osten weiterfliegen.

»Schon vor der Umsiedlung wurde uns erzählt, dass wir nicht vom Flughafen belastet werden – in welcher Weise auch immer«, kritisierte Mayer. »Bis zum September hat uns die Flughafengesellschaft Geradeausstarts demonstriert.« Dann kam der umstrittene Vorschlag der DFS mit abknickenden Routen. Diesen hat sie nach Protesten zugunsten einiger großer Ortschaften korrigiert. Dadurch aber rückten die Routen noch näher an das kleine Diepensee heran. »Im Moment fühlen wir uns bedrängt und enttäuscht«, beschrieb Mayer die Gefühlslage in der Gemeinde. »Wir werden jetzt nicht einfach abwarten«, kündigte der Ortsvorsteher an. Mit dem Bürgermeister von Königs Wusterhausen, Lutz Franzke, wolle er seine Bedenken in der Staatskanzlei in Potsdam vortragen. Er hoffe, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Routen auch im Detail noch ändert.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte das DFS-Konzept am Dienstag sehr gelobt. Es sei »um Lichtjahre, um Dimensionen entfernt« vom ersten Vorschlag und bringe die wirtschaftlichen Interessen des Flughafens in Einklang mit Erwartungen der Bevölkerung.

Linksfraktionschef Gregor Gysi sieht es anders: »Völlig indiskutabel« nannte er den Vorschlag vom Montag. »Ost wird gegen West ausgespielt, und zwar zum erheblichen Nachteil des Ostens.« Am Müggelsee drohe unerträgliche Lärmbelästigung. Bürgerinitiativen wiesen daraufhin, dass die Müggelsee-Gegend viel stärker betroffen sein wird als der Wannsee. Das Bündnis Südost kündigte an, Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Flugrouten zu sammeln. Über den Wannsee führt die Route für 48 Flüge in 2400 Metern, über den Müggelsee und Müggelheim sind es halb so hoch mehr als drei mal so viele. In Brandenburg wären nach dem Vorschlag teils andere Orte betroffen als jahrelang erwartet.

Fluggesellschaft zufrieden

Widerstand kündigt sich aber auch im Südwesten der Hauptstadt und den dortigen Umlandgemeinden an, die mit Überflügen von Maschinen in Richtung Wannsee rechnen müssen. Die Kleinmachnower Bürgerinitiative stellte ein eine Klage in Aussicht. Die Fluggesellschaften äußerten sich dagegen zufrieden. »Ein Kompromiss, mit dem wir leben könnten«, sagte Air Berlin-Sprecher Uwe Berlinghoff. Ähnlich der Marktführer: »Die Lufthansa unterstützt den Vorschlag der DFS«, erklärte Sprecher Wolfgang Weber. Der DFS-Vorschlag zwingt die Betreiber zu keinen Einschränkungen bei der geplanten Kapazität des neuen Hauptstadtflughafens.

Endgültig Bescheid wissen werden die Berliner und Brandenburger spätestens im Januar oder Februar. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung muss die Flugrouten spätestens drei Monate bevor der neue Hauptstadtflughafen am 3. Juni 2012 in Betrieb geht per Rechtsverordnung festlegen.

In ihre Abwägung bezieht die Aufsichtsbehörde das Umweltbundesamt und das Bundesjustizministerium ein. Unterstellt ist das Aufsichtsamt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Große Änderungen werden nicht erwartet.

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