Klare Grenzen für Gentests

Bundestag stimmt für Untersuchung von künstlich erzeugten Embryonen auf Krankheiten

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Gentests an Embryonen sind künftig in Deutschland unter bestimmten Auflagen zugelassen. 326 Bundestagsabgeordnete stimmten gestern dem Gesetzentwurf der Befürworter der so genannten Präimplantationsdiagnostik (PID) zu. Dagegen stimmten 260 Abgeordnete, 8 enthielten sich.
Unterm Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert.
Unterm Mikroskop werden Spermien in Eizellen injiziert.

Linksparteipolitiker Steffen Bockhahn, selbst glücklicher Vater eines zweijährigen Kindes, kämpfte am Bundestagsrednerpult mit den Tränen, als er die Leiden von Frauen schilderte, die für eine Schwangerschaft leidvolle Behandlungen erdulden, Totgeburten erleben oder kranke Kinder betreuen. Er pflegte als Zivildienstleistender schwerstbehinderte Menschen und plädiert für eine vollkommene Freigabe von Gentests an Embryonen, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden.

So ein Gesetzentwurf war gestern allerdings nicht zu verhandeln. Die Wahl bestand zwischen klaren Regelungen der PID für einige wenige Fälle, klaren Regelungen für deutlich mehr Fälle sowie einem Verbot. Für letzteres gab es ebenso emotionale Statements – beispielsweise von der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, der Grünen Katrin Göring-Eckardt oder der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Die PID-Gegner befürchteten einen Paradigmenwechsel, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung sowie das Aussortieren von Embryos mit dem Ziel eines Designerbabys. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) lehnte die PID als »Qualitätsüberprüfung des Lebens« ab.

Die gestrige Entscheidung fiel für die PID in deutlich mehr Fällen. Sie ermöglicht Paaren, bei deren Kind besonders schwere gesundheitliche Schäden auftreten könnten, nach einer künstlichen Befruchtung einen Gentest an den Embryonen vornehmen zu lassen. Ein besonders geschulter Arzt muss bestätigen, dass ein oder beide Elternteile an einer schwerwiegenden Erbkrankheit leiden. Das betrifft etwa 200 Paare im Jahr. Genetisch belastete Embryonen werden aussortiert, gesunde in die Gebärmutter eingepflanzt. Auch Frauen, die bereits Fehl- oder Totgeburten durchlitten haben, steht die Möglichkeit der PID offen. Das neue Gesetz folgt dem Urteil des Bundesgerichtshofs, Regeln für diese Untersuchungen zu schaffen. Nach seinen Bestimmungen muss zusätzlich eine psychosoziale und humangenetische Beratung der Betroffenen erfolgen, und eine Ethikkommission entscheidet über jeden Fall. PID soll nur an zugelassenen Zentren erfolgen. Ärzte und medizinisches Personal können sich auch gegen die Beteiligung an einer solchen Diagnostik aussprechen.

Große Teile der Ärzteschaft begrüßten die Entscheidung, Kirchen und Behindertenverbände sehen die Zulassung der PID kritisch. katholische Erzbischof Zollitsch sagte nach der Entscheidung, so sehr die Kirche die Nöte von Eltern verstehe, »die Selektion von menschlichen Embryonen verstößt gegen das Achtungsgebot der Menschenwürde«. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, nannte den vom Bundestag eingeschlagenen Weg »falsch und gefährlich«. Robert Antretter, Vorsitzender der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, sagte: »Viele Menschen mit Behinderungen müssen diese Entscheidung als diskriminierend empfinden.« Der Sozialverband pro familia sieht die gestrige Bundestagsentscheidung positiv, hält aber das verpflichtende Votum einer Ethikkommission für überflüssig. Es bedeute für die Betroffenen eine weitere Hürde in einer ohnehin schon emotional schwierigen Situation.

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