Schatztruhe eines Grenzgängers
Im Schinkel Pavillon behauptet Friedrich Kunath »Lonely are the Free«
Wie Dinge zusammengehen, die scheinbar nicht passfähig sind, das beweist derzeit eine Exposition im Schinkel Pavillon. Jenes Oktogon im Park des Kronprinzenpalais entstand 1969. Richard Paulick leitete damals nach Lindenoper und Prinzessinnenpalais auch den Wiederaufbau des Palais neben der erst heutigen Tags rekonstruierten Kommandantur und, Hommage an seinen großen Architektenkollegen, fügte gleich noch die Schinkel-Klause an. Ihr jetzt versiegelter Eingang ist eine Originaltür aus dessen Bauakademie. Während sich die im Parterre gelegene Gaststätte großer Beliebtheit erfreute, fanden in den Etagen darüber Empfänge für Staatsgäste statt. Hatte Paulick als Bauhäusler begonnen – beseelt vom Funktionalen in der Kunst –, trug er später den reichlich mit Zitaten Schinkels dekorierten Baustil der einstigen Stalinallee mit.
Ins Haus zu Ehren jenes Meisters des Klassizismus lockt nun die Schau des Gegenwartskünstlers Friedrich Kunath. Der wurde 1974 in Karl-Marx-Stadt geboren, siedelte 1986 in die Bundesrepublik über, studierte in Braunschweig Kunst, lebt seit 2007 in Los Angeles. Ausstellungen von London bis New York und Preise machten Kunath international bekannt. Ob Malerei, Zeichnung, Skulptur, Foto, Rauminstallation, Plakat oder Objekt – festlegen auf eines der Genres lässt er sich nicht.
Das trifft auch auf die Schau »Lonely are the Free« zu, betitelt nach einem der gezeigten Werke. Zwei Räume, wie sie unterschiedlicher kaum gestaltet werden könnten, umfasst die Ausstellung. Ins Foyer der ersten Etage hat er eine Bar mit Spiegeltresen eingebaut und es mit unzählbar vielen Einzelstücken vollgestopft. Auf eigens schwarz verkleideten Wänden drängen sich Fotos, häufig mit Text versehen, Zeichnungen, Plakate. John Lennon und Romy Schneider rauchen einander zu, ein Mann revoltiert in der Unterschrift gegen das Altwerden; skizziert sind ein Schiffsuntergang und ein Affe mit Segelmaster in der Hand. »Let the distance keep us together« fordert mit aufgespalteten, neu gefügten Wörtern ein Leuchtkasten; auf einem Comic bastelt ein Mann ein Mobile, an dem zuletzt auch er selber als Schwingteil baumelt.
Um die Brechung des Dargestellten etwa durch das Wort geht es Kunath: im gerahmten Sinnspruch »To Have Friends Be One« wie in den nah am Kitsch schrammenden Tischlampen, den ausgestopften Nagetieren, künstlichen Fliegenpilzen. Zwei Filme aus den 1970er/80er Jahren laufen auf dem Monitor, selbst Musik jener Ära hat Kunath als dezente Beschallung selbst ausgesucht. Unter die verwirrende Vielfalt mischt er Schinkel: zwei Terrakotten sowie eine Wandfigur der Bauakademie.
Ein porzellanenes Gehänge tropischen Obstes in all der Trauer und Melancholie um verflossene Zeiten weist auf eine Deutung hin. Zwar lacht das überdimensioniert große Bananenmännchen mit Geige in der Hand, wie es im Zentrum der eigentlichen Halle steht – wohl aber ein Lachen der Verschmitztheit: Bananen waren der Traum so manches DDR-Bürgers.
Filigran die zweite Installation mit dem Titel »Permanent Reminder Of A Temporary Feeling«: Aus einem Paar Adidas-Schuhen, abgewetzt schon, steigen über 100 stilisierte Vögel aus schwarzen Schnürsenkeln gen Decke. Wieder ein Traum – nach Freiheit, Fortbewegung, Ungebundensein.
Acht Fenster des Raums mit Marmorboden, gipsener Kassettendecke und Blick auf die Friedrichswerdersche Kirche hat Kunath mit Stoff bezogen. In Öl auf Kohlepapier – einst wichtig zur Vervielfältigung maschinengetippter Texte – liefert er im gleichen Format düstere, fantasievolle Zeitkommentare. Auf eine spanische Halskrause mit den Worten »it is only life« fällt ein roter Ball; »I will be more romantic« steht unter einem Mann in Frack und Zylinder, der auf einem Finger balanciert; im mondänen Karokleid wie von Paul Klee posiert eine Dame mit Rotkringeln auf den Gelenken, als sei dies Vorbereitung für eine Schönheits-OP.
Schönstes Exponat: Den nackten Rücken eines Manns umschlingen Arme einer nicht sichtbaren Frau; lediglich das Kupfer ihres Haars wallt auf; in Spiegelschrift liest man auf einem gemalten Fenster »I am a stranger here«.
Bis 31.7., Do.-So. 12-18 Uhr, Schinkel Pavillon, Oberwallstr. 1, Mitte, Telefon 20886444, Infos unter www.schinkelpavillon.de
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