Ungeschönt und weniger Schulden
Mehr Geld für Bildung und Bezirke / Regierender Bürgermeister und Finanzsenator präsentierten Etatentwurf 2012/2013
Stoff für sicher nicht unerwünschte Schlagzeilen brachten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) gestern selbst mit. So stand schon die Präsentation des vier dicke Aktenordner umfassenden rot-roten Haushaltsentwurfes für die Jahre 2012/2013 und der Finanzplanung 2011 bis 2015 im Roten Rathaus unter dem positiven Motto »konsolidieren und gestalten«.
Hinzu kam der Hinweis Senator Nußbaums, dass sich der rot-rote Senat »ehrlich macht« und in den Wahlkampf hinein seinen Haushalt vorlege. Niemand könne sagen, »wir ducken uns weg«. Vielmehr sei nun zu jeder Position die Haltung des Senates nachzulesen.
Der Etat würde »nicht anders aussehen, wenn es jetzt in die normalen Beratungen gehen würde«, versicherte der Regierende Bürgermeister. »Nichts ist geschönt«, sagte er. Um Entscheidungen habe sich der Senat »nicht herumgedrückt«. Er sprach von einem »realistischen Haushalt«, der sich im Rahmen von Konsolidierungspolitik bewege.
In dem jährlich rund 22 Milliarden umfassenden Budget steigen die Ausgaben minimal. Bei den Einnahmen sind Anstiege von 2,7 Prozent (2012) und 2,5 Prozent (2013) vorgesehen. Die Eckdaten hätten sich angesichts der Konjunktur und größeren Steuereinnahmen verbessert. Mehreinnahmen würden allerdings in die »Absenkung der Nettokreditaufnahme investiert« – beim Normalbürger hieße das schlichtweg »weniger Schulden machen«. Im Doppeletat sind es noch 1,9 Milliarden Euro. 2016 könnte damit aber Schluss sein, wie Wowereit ankündigte.
Allerdings sei der Schuldenstand derzeit »enorm hoch« und steige weiter, gestand Klaus Wowereit ein. Jedoch liege die Steigerung deutlich unter den bisherigen Prognosen. So fielen auch die Zinszahlungen geringer als erwartet aus. Es lohne sich also, Konsolidierungspolitik zu betreiben, weil sich Spielräume ergäben.
Als »absolute« und überproportionale Schwerpunkte hervorgehoben wurden von ihm die Bildung mit einem Plus von rund zwei Prozent und einem Umfang von 4,2 Milliarden Euro sowie die Bezirke. Diese erhielten ebenfalls rund zwei Prozent mehr, also 6,5 Milliarden Euro. Die Kita-Ausgaben würden 2013 bei mehr als einer Milliarde Euro liegen und die Kita-Plätze weiterhin kostenlos angeboten, sagte der Senatschef. Er bekräftigte: »Wir sind darauf stolz. Auch wenn wir von anderen Bundesländern angefeindet werden.«
Weitere Ausgaben sieht der Entwurf für die Beamten mit einem Plus von 2 Prozent im Jahre 2013 vor – das macht im Jahr rund 156 Millionen Euro. Deutlich aufgestockt werden soll im Öffentlichen Dienst die Zahl der Auszubildenden auf jährlich 195. »Ausfinanziert« seien auch 200 zusätzliche Polizisten, mit denen der Nahverkehr sicherer werden soll.
Als Schwerpunkt bei den Investitionen hervorgehoben wurde die Charité mit »weit über« 300 Millionen Euro jährlich. Aufgebaut wird mit 30 Millionen Euro ein Institut für medizinische Systembiologie. Das Geld sei »schwer zu finden gewesen«, doch würde der Bund später den laufenden Betrieb mit dann 300 Mitarbeitern zu 90 Prozent finanzieren. Hier ließe sich »ein neuer Akzent im Bereich Forschung« setzen. Aus dem mit unter einem Prozent leicht gestiegenen Kulturhaushalt soll zudem mit 270 Millionen Euro eine Landesbibliothek auf dem Ex-Flughafen Tempelhof finanziert werden. Für eine neue Kunsthalle fehlt das Geld. Kultursenator Wowereit gestand ein: »Nicht alle Wünsche konnten erfüllt werden.«
Damit dürfte die LINKE übereinstimmen. Deren Vorzeigeprojekt Öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS) wird laut Plan um 43 Millionen Euro heruntergefahren. LINKE-Landeschef Klaus Lederer lobte aber, dass der ÖBS und der Ausbau der Gemeinschaftsschulen »abgesichert« worden seien. Die Zusatzförderung bei Krankenhausinvestitionen bleibe erhalten. Sehr zu begrüßen sei zudem, dass »unsere Sozialsenatorin Carola Bluhm mehr Geld für Ausbildungshilfen zur Verfügung stellen kann«.
Rot-Rot jedenfalls hätte bei einer Fortsetzung der Koalition schon einen Haushaltsentwurf. Im Abgeordnetenhaus ist am 1. September die Plenardebatte möglich. Die Opposition fing schon an: mutlos, planlos, desaströs.
Die Ausgaben wachsen 0,3 % jährlich. Im Bundesdurchschnitt legen die Haushalte von Ländern und Gemeinden um 1,5 % zu. Für Investitionen sind jährlich 1,5 Mrd. Euro vorgesehen. Die Nettokreditaufnahme für 2012/13 beträgt 1,9 Mrd. Euro. Das ist nahezu eine Halbierung gegenüber der bisherigen Planung. 2015 wird ein Schuldenstand von rd. 65,9 Mrd. Euro erreicht werden. Die bisherige Planung ging bereits für 2014 von über 71 Mrd. Euro Schulden aus. Das Finanzierungsdefizit wird sich trotz sinkender Einnahmen aus dem Solidarpakt bis 2013 auf 766 Mio. Euro verringern.
Angaben: Senatsverwaltung für Finanzen
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