Ein Juwel Köpenicker Geschichte

»Häuserbuch« von Aribert Giesche ermöglicht detaillierten Einblick in Stadtentwicklung und Genealogie

  • Kurt Wernicke
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit liegt jetzt mit dem »Häuserbuch der Altstadt Köpenick. Besitz- und Baugeschichte der Grundstücke eines Berliner Ortsteils vom 17. bis 19. Jahrhundert« vor: Es liefert für den historischen Kern Köpenicks, die Altstadtinsel, den akribischen Nachweis über die Besitzer und das Baugeschehen auf den einzelnen Grundstücken zwischen der Mitte des 17. und dem Ende des 19. Jahrhunderts. Die zeitliche Begrenzung nach vorn ergibt sich aus der Quellenlage und den konkreten historischen Umständen, die für den Anfang der Zerrüttung tradierter Besitzverhältnisse durch den 30-jährigen Krieg geschuldet sind; für die Grenze zur Gegenwart der um 1890 voll durchgeschlagenen Anpassung an die Industriegesellschaft.

Der Umstand, dass das altstädtische Straßenraster sich seit dem 17. Jahrhundert im Grundsatz nicht verändert hat, erleichtert den Nachvollzug der Grundstücksentwicklung. Was bis dato nur an den beiden Stellen Alter Markt 10 und Grünstraße 5 präsentiert wird – die Dokumentation der Grundstücksgeschichte –, ist nun für jedes einzelne Grundstück der Altstadt möglich. Man wagt gar nicht, sich vorzustellen, welchen finanziellen Aufwand das nach sich zöge; aber man traut sich auch nicht, eine Vorstellung zu entwickeln, welcher touristische Leckerbissen daraus entstehen würde.

Als Quellengrundlage dienten dem Autor Aribert Giesche das Köpenicker Hypothekenbuch (geführt seit 1713) und die städtischen Grundbücher (angelegt ab ca. 1800). Zur übersichtlichen Orientierung sind die Grundstücke nach den heutigen Straßennamen und deren jetziger Nummerierung geordnet – bis um 1900 ergaben sich die Grundstücksnummern nämlich nicht aus der Abfolge im Straßenverlauf, sondern aus dem Blatt, das die Eintragung im Grundbuch festhielt: so konnte beispielsweise das heutige Grundstück Freiheit 15/16 (auf dem der »Hauptmann von Köpenick« für den Lokaltermin vor seinem Prozess für eine Nacht einsaß und woran ein kleiner Gedenkraum erinnert) vor 1900 im Adressbuch unter Freiheit 147 auftauchen. Eine beigefügte Karte mit roter Markierung der Grundbuchnummern erleichtert es, sich zurechtzufinden. Eine tabellarische Übersicht über die den Grundstücken zugehörigen Straßennamen und Hausnummern, unter denen sich die einzelnen Anwesen vor 1800, 1842, 1893, 1922 und heute präsentierten bzw. präsentieren, nennt die über die Zeiten wechselnden Adressen und schützt so vor Verwechslungen. Die zu den Hausbesitzern eruierten verwandtschaftlichen Verknüpfungen, die der Autor der verbissenen Auswertung der Köpenicker Kirchenbücher entnommen hat, ist ein familiengeschichtliches Juwel. Weitere genealogische Erkenntnisse sind aus den mitgeteilten Verzeichnissen zur Aufnahme in den Stand eines Köpenicker Bürgers von 1621 bis 1800, den Einwohnerverzeichnissen von 1723 und 1764, dem Feuerkataster 1806 –1811 und dem peniblen Gebäudeverzeichnis von 1842 zu gewinnen.

Dem ortskundigen Leser wird auffallen, dass im Inhaltsverzeichnis Müggelheimer Straße, Schloss- und Schüßlerplatz sowie die Spindlergasse fehlen. Das muss nicht verwundern, denn Areale mit diesen Adressen finden sich in den Grundbüchern nicht: die Müggelheimer Straße bis zur Kietzbrücke erstreckt sich auf Grundstücken der Grünstraße, der Schlossplatz desgleichen, der Schüsslerplatz liegt auf Hausstellen der Jäger- und der Rosenstraße, die Spindlergasse ist identisch mit einem früheren Zugang zur Löschwasser liefernden Spree.

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