Breivik kommt 2012 vor Gericht
Norwegischer Generalstaatsanwalt: Anklageschrift fordert viel Zeit
Oslo/Brüssel (dpa/ND). Der Rechtsradikale Anders Behring Breivik kommt nach der Ermordung von 76 Menschen wohl erst im nächsten Jahr vor Gericht. Dann soll er jeden Mord einzeln erklären, sagte Norwegens Generalstaatsanwalt Tor-Aksel Busch am Donnerstag in Oslo gegenüber dem Rundfunksender NRK. »Aus Respekt vor den Toten und die Angehörigen muss der Täter für jede einzelne Tötung Rechenschaft ablegen.«
Das stelle entsprechende Anforderungen an die Beweisführung, sagte er weiter. Der Fall sei so umfassend, dass die Ausarbeitung der Anklageschrift lange dauern werde. »Ich hoffe, die Leute haben Verständnis dafür», sagte Busch. Anklage kann nach seinen Angaben nicht vor dem Jahreswechsel erhoben werden. Als Vertreter der Angehörigen der Opfer hatte der Anwalt Brynjar Meling ebenfalls bei NRK erklärt, seine Mandaten hofften auf einen Prozess im Herbst.
Breivik hatte auf der Insel Utøya mindestens 68 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Sommerlagers für Jugendliche getötet. Vorher hatte er eine Bombe vor dem Osloer Regierungshochhaus gezündet, acht Menschen starben dabei.
Geir Lippestad, der Verteidiger des nach dem Massaker festgenommenen und geständigen Täters, hält Breivik für geisteskrank.
Busch bestätigte Überlegungen, dass der 32-Jährige möglicherweise wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« angeklagt wird. Das würde eine Verurteilung zu 30 Jahren Haft ermöglichen, während bei dem vor dem Haftrichter angewandten Terrorparagrafen eine Verurteilung zu maximal 21 Jahren Haft möglich wäre. »Wir prüfen das natürlich sehr genau«, sagte Busch.
Bei dem seit 2008 in Norwegen geltenden Paragrafen des Strafgesetzbuches zählen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Angriffe auf eine Gruppe wegen der politischer Orientierung. Als Motiv für seine Anschläge gibt Breivik an, er habe den Sozialdemokraten »größtmöglichen Schaden« zufügen wollen.
Fast eine Woche nach dem Massaker ist die Suche nach weiteren Opfern eingestellt worden. Polizeistabschef Johan Fredriksen äußerte sich am Donnerstag überzeugt, dass im Tyrifjord keine weiteren Leichen gefunden werden. Die Behörden wollten aber noch keine endgültigen Angaben über das Ergebnis der Suche machen.
Anti-Terror-Experten aus den EU-Ländern und Norwegen sind in Brüssel zu Beratungen über Konsequenzen aus den Anschlägen zusammengekommen. Es geht um den Austausch von Informationen; Beschlüsse sollen nicht gefasst werden. Für Deutschland nimmt ein Experte aus dem Bundesinnenministerium teil. Auch Vertreter der europäischen Polizeibehörde Europol sollten zu dem Treffen kommen.
Bei dem Expertentreffen in Brüssel wollten die norwegischen Behörden die EU-Länder über ihre Erkenntnisse zu den Anschlägen informieren. Norwegen ist kein EU-Mitglied, gehört aber wie die meisten EU-Länder zum Schengenraum, in dem es keine Grenzkontrollen gibt.
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