Jupiter unter Junos Fuchtel

US-Sonde fliegt zum größten Planeten unseres Sonnensystems und blickt unter die Wolken

  • Jacqueline Myrrhe
  • Lesedauer: 4 Min.

Frauen – so das Klischee – sind neugierig und stecken ihre Nase in alles. Die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA gibt ihrer neuesten Planetensonde dieses Vorurteil als Auftrag mit auf den Weg: »In der römischen Mythologie war es Jupiters Ehefrau Juno, die durch den von Jupiter geschaffenen Wolkenschleier spähte, um ihn bei seinen Missetaten zu ertappen«, erklärt Toby Owen von der Universität Hawaii die Namensgebung. »Unsere Juno schaut durch die Wolkendecke des Planeten Jupiter, allerdings um nach Anzeichen von Wasser zu suchen.«

»Junos« Start zur fünf Jahre dauernden Reise zum größten Planeten unseres Sonnensystems ist für den 5. August vom Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral in Florida vorgesehen. Es ist die zweite Mission innerhalb des NASA-Programms »New Frontiers« und wird angesichts der klammen finanziellen Situation der NASA wahrscheinlich auch für die nächste Dekade die einzige bleiben.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt verzichtet man bei einer Raumsonde, die hinter den Asteroidengürtel fliegt, auf Nuklearbatterien und nutzt stattdessen Solarpaneele. Die drei hocheffizienten Solarausleger mit 60 Quadratmetern Fläche liefern in Erdnähe 15 Kilowatt elektrische Leistung und im Orbit um Jupiter, 780 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, immerhin noch 486 Watt. Die ausgefahrenen Sonnensegel stehen wie die Flügel eines Windrads vom sechseckigen Satellitenkörper ab.

Um »Juno« für mindestens 33 Umläufe funktionsfähig zu erhalten, wird die Sonde nach Ankunft am Jupiter im Juli 2016 in eine hochelliptische Umlaufbahn über die Pole des Planeten einschwenken. Dadurch kann sich die Sonde zwar bis auf 4300 Kilometer dem Gasplaneten nähern, meidet aber weitgehend die Zone höchster Strahlung. Der Jupiter besitzt nicht nur den ausgedehntesten Strahlengürtel aller Planeten des Sonnensystems, die Teilchenstrahlung dort ist mehrere tausend Mal stärker als im Van-Allen-Gürtel der Erde. »Für die 15 Monate, die ›Juno‹ Jupiter umrundet, muss das Raumschiff einer Strahlung widerstehen, die mehr als 100 Millionen Zahnröntgenuntersuchungen entspricht. Auf die gleiche Art, wie Menschen sich während der Röntgenaufnahmen schützen müssen, haben wir ›Junos‹ Herz und Hirn abgeschirmt«, macht Bill McAlpine, einer der Missionstechniker vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, deutlich. Der wissenschaftliche Leiter der Mission, Scott Bolton vom Southwest Research Institute in San Antonio, geht mehr ins Detail: »›Juno‹ ist im Prinzip ein Panzer, der zu Jupiter fliegt. Ohne die Abschirmung oder die Strahlungsschutzkammer würde Junos elektronisches Gehirn schon bei der ersten Annäherung an Jupiter aufgeben. Die zentrale Kammer aus einem Zentimeter dickem Titan ist die erste ihrer Art.«

Realistischerweise rechnen die Ingenieure nach gut einem Jahr Betrieb nicht mit einer Verlängerung, denn ungeachtet der Vorkehrungen wird die Technik von den hochenergetischen Teilchen so stark bombardiert, dass das Material der Sonnensegel vorzeitig altert und die Elektronik ausfallen dürfte.

Das Ende im Oktober 2017 soll genauso spektakulär ausfallen wie das der Vorgängermission »Galileo« aus dem Jahr 2003. Das Raumschiff wird in die dichte Jupiteratmosphäre eintreten. Wissenschaftlich wird »Juno« dort weiter machen, wo Galileo aufgehört hat. Nach zahlreichen Vorbeiflügen anderer Sonden erkundete »Galileo« erstmals aus einer Umlaufbahn. Acht Jahre umkreiste die Sonde die äquatoriale Zone des Jupiters. Die mit Hilfe einer Tochtersonde beim Eindringen in die Atmosphäre gewonnenen Daten brachten völlig neue Erkenntnisse über die Wolkenstruktur, Windgeschwindigkeiten (bis zu 600 km/h) und die Zusammensetzung der Atmosphäre des hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium sowie geringen Anteilen von Methan und Ammoniak bestehenden Gasriesen. Berühmt wurde »Galileo« für einzigartige Fotos und Daten, die bei Annäherungen an die vier größten der Jupitermonde gewonnen wurden.

Gleichzeitig hat »Galileo« aber grundlegende Fragen offen gelassen: Wie entstand der Jupiter? Hat er einen festen Kern? Wie weit in die Tiefe reicht die Wirbelstruktur des Großen Roten Flecks? Warum rotiert er entgegengesetzt zu den Wolkenschichten? Wie viel Wasser ist in der Jupiteratmosphäre? Scott Bolton: »Jupiter ist ein Archetyp von Riesenplanet in unserem Sonnensystem und wurde relativ früh durch das Einfangen des nach der Sonnenformation übrig gebliebenen Materials gebildet. Im Gegensatz zur Erde hat es Jupiters gigantische Masse erlaubt, seine ursprüngliche Komposition zu bewahren. Das wiederum gestattet es uns, die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems zurück zu verfolgen und unsere Theorien darüber anzupassen.« Sieben der Instrumente an Bord sollen Daten für präzise Karten von Jupiters Magnet- und Schwerefeld liefern. Das vielleicht schönste und einzige europäische Experiment kommt aus Bella Italia: Ein Team um Angioletta Coradini vom Nationalen Institut für Astrophysik in Rom trug das JIRAM-Instrument bei. Dieses Spektrometer beobachtet die Polarlichter des Jupiters im Infrarotbereich. Schon das Hubble-Weltraumteleskop hat mit prächtigen Fotos von Jupiters Nordlichtern einen Vorgeschmack auf die nun zu erwartenden hochauflösenden Abbildungen gigantischer Leuchterscheinungen gegeben. Göttervater Jupiter zeigt sich hier in bester Form – mit imposanten Blitzen.

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